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wuming schrieb am 22.4. 2003 um 21:17:22 Uhr über

helm

Der Mann mit dem Fleischhelm

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute:
Peter »der Spieß« Struck

Zerstückelte Häuser; Brücken, die in die Knie gehen;
Luft, die im Bombenhagel Blasen wirft: Das gefällt nicht
jedem. Aber manchmal dient es einem guten Zweck.
Kinder, denen ein Granatsplitter durch das eine Ohr rein-
und zum anderen wieder rausgeht; Fliehende, die über
ihre Eingeweide stolpern; Greise, die auf der Suche
nach ihren Körperteilen mit einem Handwagen
umherziehen: Auch das ist nicht jedermanns Sache.
Doch für manche Leute gehört es zum Beruf - und in
Deutschland führt er das Kommando über sie: Peter
Struck.

Zwar war der stramme Parteisoldat nie beim Kommiss.
Doch der Mann mit dem Fleischhelm, der sich 1964
freiwillig bei den Rotärschen meldete, den Jusos, und
sich in der SPD hochdiente, verweigerte nie einen
Befehl der Parteivorgesetzten, sondern tat stets seine
pflichtverdammte Schuld und Struckigkeit. Das Hirn
enger schnallen, den Kopf zusammenkneifen und durch:
Mit dieser Scheißhausparole hielt er seit 1990 als
Parlamentarischer Unterführer der Bundestags-SPD
seine Truppe bei der Flagge und stauchte ihr von 1998
bis 2002 als Fraktionskommandant die Flötentöne rein.
Ähnlich wie Herbert »der Schleifer« Wehner verstand es
Peter »der Spieß« Struck, seine Mannen auf Kurs zu
drillen, unsicheren Kantonisten an die Kandare zu treten
und Quertreiber durch die Reichstagtoiletten robben zu
lassen, bis ihnen die Suppe im Arsch brodelte.

Dass Peter Struck, der am 24. 1. 1943, mitten im
Zweiten Weltkonflikt, in Göttingen zum Einsatz kam und
seit 1980 für den Wahlkreis Celle-Uelzen im Bundestag
Wache schiebt, in Fragen der Bundeswehr völlig
beschlagen ist, bewies er schon 1993, als er die
SPD-Parteitagsbeschlüsse gegen Kampfeinsätze der
Bundeswehr als Meuterei verurteilte; 1998 und 2001
trimmte der Zuchtmeister seine Leute erfolgreich auf
Vordermann, als Deutschland gegen die serbischen
Taliban und die Stalinisten in Afghanistan ausrückte.

Als Herr über Leben und Tod sitzt ihm, der bereits als
Pfeiferaucher Herzattacken und Blutgerinnseln ins weiße
Auge sah und sich als Kradfahrer sämtliche Knochen
zermalmte, das Militär wie angegossen. Kaum hatte
OvD Schröder ihn zum Verteidigungsminister befördert
und Struck die bei solchen Anlässen von der
Traditionspflege der Bundeswehr vorgeschriebene
Tapferkeitsprüfung bestanden (einen Kübel Schmieröl
mit Zwiebeln, Spüli und Stubenkehricht auf ex), als er
auch schon auf Dienstreise marschierte und die
deutschen Divisionen auf dem Balkan und in der
Hauptstadt von Kabul besuchte.

Jetzt zeigte sich, dass in dem harten Mann auch ein
weicher Kerl steckt: Der Miesepeter und Griesgram mit
der ansteckend schlechten Laune, der sauertöpfisch in
die Fernsehlinsen raunzt, tut zwar viel böse-böse, ist
aber in Wahrheit stolz auf »meine Jungs«. Er ist der
Vater der Kompanie, bringt Kicker-Hefte mit, Spinde
voller Bumsmädel für die einen, ein Schminktäschchen
für die ganz anderen und lässt sich alles zeigen:
besichtigt hier einen ausgebrannten Bus mit lauter
Schwarzfahrern, schmunzelt dort über eine halb verweste
Arschbacke, die in einem Ast hängt, und lacht jovial,
wenn seine Helden erzählen, wie sie einem
Kameradenschwein ein Vorhängeschloss um den Sack
hängten und den Schlüssel wegwarfen. Da bleibt nicht
nur kein Auge trocken.

Zurück an der Heimatfront, arbeitet Struck vom
Morgenappell im Kanzleramt übers Essenfassen mit
seinem Generalstab im Ministerium bis zum
Zapfenstreich mit seiner Frau zu Hause an der Zukunft
der Bundeswehr. Weltweite Krisenbewältigung,
Konfliktverhütung und
Krisenkonfliktverhütungsbewältigung, so lautet sein
Tagesbefehl bis 2006. Schon zeichnet sich im
Sandkasten der Barras von morgen ab, der
Deutschlands Griff um den Globus herum ermöglichen
soll: Die Landkarten von 1939 werden endlich ersetzt,
weil sie nur bis zum Ural reichen, an die Stelle des
bierpflichtigen Wehrlandsers tritt der hoch vergütete
Berufssoldat, und es werden neue humanitäre
Friedenswerkzeuge für den Auslandsdienst entwickelt,
beispielsweise der einem Geigerzähler ähnliche
»Nasenspitzendetektor«, der auf einfache Weise das
Aufspüren von Terroristen ermöglicht und mit einer
automatischen Feuervorrichtung ausgestattet ist, die
auch für den Einsatz auf dicht belebten Marktplätzen
ausreicht. Zugleich wird Munition einer neuen Generation
entwickelt: Kitzelpatronen, die den Gegner zwingen, sich
lachend am Boden zu wälzen, Traumakugeln, die aus
einem wütenden Angreifer eine tüttelige Tunte machen,
und Plastikgeschosse, die eine komplette feindliche
Armee in Spielzeugfiguren verwandeln, die man seinen
Kindern zur Friedenserziehung an Weihnachten
schenken kann.

Alle diese Waffen sind nötig, um sie nie einzusetzen,
das ist Commonsense auch im Kopf von Peter Struck.
Und falls doch, so kann Deutschlands oberster Pazifist
die Öffentlichkeit beruhigen, weil im Krieg bekanntlich
niemand umgebracht wird. Soldaten sind schließlich
keine Mörder." PETER KÖHLER

taz Nr. 7035 vom 22.4.2003, Seite 20, 171 Zeilen
(Kommentar), PETER KÖHLER, Glosse


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