>Info zum Stichwort netzerupdate | >diskutieren | >Permalink 
a.s.ambulanzen schrieb am 13.5. 2001 um 15:46:36 Uhr über

netzerupdate

Warum wir es nicht auf der Straße tun

(rewind & fast forward: Wie alles anfing & Wo soll das alles enden)

Why don't we do it in the road? fragten 1968 die Beatles. Wonach sie da fragten, hat kaum jemand verstanden (und sie selbst vielleicht am allerwenigsten). Die Rezeptionsgeschichte dieses Songs ist die Geschichte eines großen Mißverständnisses: Noch heute herrscht allenthalben die Überzeugung, es ginge in dem Stück um Sex.

Daß das völliger Unsinn ist, liegt auf der Hand: Wäre eine long and winding Liebesstraße gemeint, würde sich die Frage von selbst beantworten: Why don't we do it in the road / that leads to your door? Weil man die Tür zumacht, bevor man Liebe macht, und zwar von innen. Und wieso sollte man den Geschlechtsverkehr auf der Straße austragen, wenn dort - wie es in der zweiten Zeile heißt - sowieso niemand zusieht?

Spätestens mit der zweiten Zeile hätte der Groschen fallen müssen: »No-one will be watching us« heißt: we will not be televised - und not be televised wird bekanntlich: revolution. Also: Warum gehen wir nicht raus auf die Straße und machen die Revolution - statt Frieden und Liebe?

Why don't we do it in the road? ist nichts anderes als die Frage nach dem Ort des Sozialen und dessen Revolutionierung, fragt nicht nach Sex, sondern nach Kommunikation (was natürlich auch Sex sein kann, aber das ist nur eine Möglichkeit von vielen), fragt: Sollten wir dem Staat seine öffentlichen Räume nicht lieber entreißen, bevor er sie privatisiert? (Und wie können wir sie verteidigen, ohne sie selbst in Privatsphären zu verwandeln?)

Stattdessen totales Mißverständnis. Hier kommt die Revolution! sagt die Platte - Ich will ficken! verstehen die Millionen. »Was interessiert mich die Revolution, wenn ich Orgasmusschwierigkeiten habe- meint so auch Dieter Kunzelmann, nachdem er das Stück zum ersten Mal gehört hat. Statt das Private zu politisieren und auf die Straße zu tragen, privatisieren Tausende revolutionärer Beatlesfans das Politische, bis es am Ende in die eigenen vier Wände paßt.

Wenn die Revolution - was auch immer das gewesen wäre - nicht stattgefunden hat, dann, weil zu viele dem Irrtum aufgesessen sind, sie beginne, statt auf der Straße, im Bett. Dort ist sie allemal zu Ende. Im Bett beginnt bestenfalls die Revolution des Sexuellen, an deren Ende doch wieder alle zu Paaren zusammenklumpen, um zu dem Schluß zu kommen, für eine glückliche Familie sei schlechthin jeder Verrat gerechtfertigt - eine Revolution, die ihre Kinder, statt zu fressen, liebevoll umsorgt und sicher über die Straße bringt. (Und auf dieser Straße tun wir's bestimmt nicht, denn dort ist immer jemand watching us: Big Mother und Big Brother, n-tv und MTV)




   User-Bewertung: -1
Wenn Du mit dem Autor des oben stehenden Textes Kontakt aufnehmen willst, benutze das Forum des Blasters! (Funktion »diskutieren« am oberen Rand)

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »netzerupdate«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »netzerupdate« | Hilfe | Startseite 
0.0078 (0.0024, 0.0039) sek. –– 824191813