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voice recorder schrieb am 22.1. 2003 um 17:18:29 Uhr über

Befreiung

Monaten. Brasilien: 5oo ooo Menschen, die, ohne Schlagzeilen zu machen, langsam verhungerten.
In einer Gefängniszelle in Paraguay verfaulte ein Mann bei lebendigem Leib. Er stand bis zu den Knien im Wasser und ertrank schließlich.
Lateinamerika ist ein blutgetränkter Kontinent. Dort ist das Theater der Unterdrückten entstanden.
Hier in Europa gibt es solche Greuel nicht, nicht mehr. Aber das heißt noch lange nicht, daß es nicht auch in Europa Unterdrückte und Unterdrücker gibt. Und wenn es Unterdrückung gibt, dann besteht auch die Notwendigkeit eines Theaters der Unterdräckten - und das meint: eines Theaters der Befreiung. Die Unterdrückten müssen zu Wort kommen. Nur sie selbst können ihre Unterdrückung zeigen. Sie müssen ihre eigenen Wege zur Freiheit entdecken, sie selbst müssen die Handlungen proben, die sie zur Freiheit führen.
Wer sagt: »Hier in Europa gibt es keine Unterdrückten., ist ein Unterdrücker. Frauen, Gastarbeiter, Farbige, Arbeiter, Bauern sagen nicht, hier gibt es keine Unterdrückung.
Es ist eine andere Unterdrückung, und zu ihrer Abschaffung sind andere Mittel erforderlich als in- Lateinamerika. Das Theater der Unterdrückten bietet keine Befreiungsrezepte an, keine vorgefertigten Iösungen. Theater der Unterdrückten heißt Auseinandersetzung mit einer konkreten Situation, es ist Probe, Analyse, Suche.
Wenn die Unterdrückung subtiler, schwerer durchschaubar ist, dann müssen auch die Mittel zu ihrer Bekämpfung subtiler sein.
Eines ist gewiß: Wo es Unterdrückung gibt, muß sie abgeschafft werden.

Das Theater der Unterdrückten ist z'mmer Dialog: Wir lehrn und lernen.

Das Theater der Unterdrückten geht von zwei Grundsätzen aus:
Der Zuschauer, passives Wesen, Objekt, soll zum Protagonisten der Handlung, zum Subjekt werden.
Das Theater soll sich nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern ebenso mit der Zukunft. Schluß mit einem Theater, das die Realität nur interpretiert; es ist an der Zeit, sie zu verändern.
Der Zuschauer, der in einer Forumtheater-Sitzung fähig gewesen ist zu einem Akt der Befreiung, will diesen auch draußen, im

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Leben, vollbringen, nicht nur in der fiktiven Realität des Theaters. Die »Probe« bereitet ihn auf die Wirklichkeit vor.
Um wirksam zu sein, muß das Theater der Unterdrückten zu einer großangelegten politischen Aktionsmethode werden.
Wenn man z. B. in der Pariser M@tro Unsichtbares Theater zum Thema »Unterdrückung der Frau« spielt, ist es nicht mit diesem einen Mal getan. Damit diese Realität sich ändert, müßte die Szene mehrere hundert Mal gespielt werden, auf sämtlichen M6trostrecken.
jedermann hat künstlerische Fähigkeiten; die Erziehung hat unsere Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt. Kinder tanzen, singen und malen. Mit zunehmender Unterdrückung, der sie durch Familie, Schule und Arbeit ausgesetzt sind, glauben sie schließlich selbst, daß sie weder Tänzer, Sänger noch Maler sein können. In Wirklichkeit aber kann jeder alles, auch wenn er es nicht in einem bestimmten Bereich zur Meisterschaft bringt.
jeder kann Theater spielen - sogar die Schauspieler. Überall kann Theater stattfinden - sogar im Theater.
Brecht hat gesagt, das Theater müsse in den Dienst der Revolution gestellt werden. Ich glaube, das Theater muß Bestandteil der Revolution sein. Es steht nicht im Dienste, es ist Teil der Revolution, Vorbereitung auf sie, ihre Generalprobe.
Das Theater der Unterdrückten muß ein Handlungsmodell für die Zukunft entwerfen, daher muß es immer von einem konkreten Anlaß ausgehen. Ist für die nächste Woche ein Streik geplant, so kann mit Hilfe dieser Theatertechniken seine Ausführung geprobt werden. Weil sie wissen, daß es um ein konkretes, dringliches Problem geht, das sie unmittelbar betrifft, entfalten die Zuschauer Kreativität. Allgemeine, abstrakte Themen wie »der Klassenkampf« oder »die Befreiung der Frau- sind für dieses Theater untauglich. »Der Streik am kommenden Montag«, »ein Kinderladen in unserem Stadtviertel« - das sind konkrete Themen. Das Theater der Unterdrückten präsentiert keine Bilder aus der Vergangenheit, sondern erstellt Handlungsmodelle für die Zukunft. jeder Zuschauer muß sich bewußt sein, daß das Thema sich auf ein konkretes Ereignis bezieht, das auch tatsächlich stattfinden wird. Darauf muß er sich vorbereiten. Es genügt nicht zu wissen, daß die Welt verändert werden soll; wichtig ist, sie tatsächlich zu verändern. Dazu können auch die Techniken des Theaters der Unterdrückten beitragen.

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