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FlYnx schrieb am 3.2. 2003 um 03:31:33 Uhr über

Mediatoren

unter anderem auch das leteinische Wort für Vermittler, besonders gebräuchlich in den politischen Strukturen des europäischen Mittelalters. Das europ. Mittelalter praktizierte wie viele andere Kulturen auf den verschiedensten Ebenen Formen gütlicher Konfliktbeilegung. Sie standen neben gerichtlicher und gewaltsamer Austragung von Konflikten und beleuchten die Friedensfähigkeit der mittelalterlichen Gesellschaft in sehr charakteristischer Weise. Welche Form im Einzelfall zur Anwendung kam, hing von verschiedensten Faktoren ab und darf als Indikator für die Ausformung staatlicher Strukturen innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft gelten. In jedem Fall wäre es anachronistisch, eine Präponderanz staatlicher Institutionen oder Aktivitäten zu unterstellen. Vermittler (Mediatoren) spielten im Rahmen gütlicher Einigung vielmehr lange Zeit eine zentrale Rolle. Diese temporäre Aufgabe und Funktion übernahmen in den unterschiedlichsten Konflikten Personen, die auf Grund von Rang, Gelehrsamkeit oder Frömmigkeit über Autorität verfügten. Nicht selten auch hatten sie Kontakte, etwa verwandtschaftlicher Art, zu beiden Konfliktparteien. Vermittler (Mediatoren) wirkten bei Streitigkeiten um Grundstücke, Nutzungsrechte oder Eigentum ebenso wie in Konflikten um Ehre oder Rang, oder auch in 'außenpolitischen' Konflikten zwischen mittelalterlichen Staaten. 'Regierungshandeln' bedeutete für mittelalterliche Herrschaftsträger vom Kaiser über weltliche und kirchliche Amtsträger bis zum Rat der Stadt nicht selten Vermittlungstätigkeit.
Das in Quellen formelhaft als »reconciliavit«, »sociavit« oder »pacificavit« angesprochene Handeln eines Amtsträgers meint den Vorgang der Streitbeilegung durch Vermittlung. Man bestellte die Parteien und brachte sie zu einem Ausgleich. Dies geschah schon in frühen Konfliktsituationen und verhinderte so die Eskalation des Streits. Häufig ist in den Quellen bezeugt, daß Vermittler (Mediatoren) einem Heere vorauszogen und durch ihre Tätigkeit eine gütliche Einigung noch vor dem ersten Waffengang erreicht wurde. Ähnliches hört man auch bei der Belagerung von Burgen und Städten, die in aller Regel von emsiger Tätigkeit der Vermittler (Mediatoren) begleitet wird. Erfolgreich vermitteln sie zumeist die Übergabe der Burg gegen freien Abzug der Besatzung. Häufiger ist auch bezeugt, daß eine Partei Anhänger oder Vertraute der anderen Partei um Vermittlung bat, oder daß Bischöfe sich dem Heer eines Fehdeführenden nur deshalb anschlossen, um als Vermittler (Mediator) fungieren zu können. Schriftliche Bündnisverträge nennen seit dem 12. Jh. sehr häufig bereits die Namen von Vasallen der Partner, die im Fall von Dissens schlichten und vermitteln sollen.
Die Tätigkeit solcher Vermittler (Mediatoren) zielt weniger auf die Feststellung von Recht und Unrecht als auf eine 'compositio', die durch angemessene Satisfaktionsleistungen ermöglicht wird. Wiederherstellung von Ehre und die Wahrung des Gesichts sind Prinzipien, denen das Wirken der Vermittler (Mediatoren) verpflichtet ist. Verhandelt wird in aller Regel getrennt mit den Parteien; der Vermittler (Mediator) garantiert die Einhaltung der in Aussicht genommenen Schritte zur Konfliktbeilegung. Er übt auch Druck auf die Parteien aus, indem er die Aufgabe seiner Bemühungen und den Übertritt zur Gegenseite androht. Ein solcher Übertritt gilt auch für den Fall, daß getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten oder der Konflikt erneut eröffnet wird. Diese und ähnliche Prinzipien und Regeln sichern die Verbindlichkeit der getroffenen Vereinbarungen. Ein vielfach praktiziertes Modell einer gütlichen Konfliktbeendigung, das vor allem von den fränkisch-deutschen Königen und Kaisern bezeugt ist, sieht etwa einen öffentlichen Unterwerfungsakt ('deditio') des Kontrahenten als Satisfaktionsleistung vor, dem dann ein von 'clementia' und 'misericordia' geleitetes Verhalten des Königs folgt, was milde Strafen und Aussicht auf Wiedererlangung der früheren Stellung bedeutet. Die Inszenierung entsprechender Akte war zuvor von den Vermittlern mit den Parteien abgemacht und wurde von ihnen zum Teil eidlich garantiert. Die Tatsache dieser Absprachen blieb jedoch ebenso wie die gesamte inhaltliche Tätigkeit der Vermittler (Mediatoren) der Vertraulichkeit verpflichtet. Die Vertraulichkeit, in der sich das Wirken der Vermittler (Mediatoren) abspielte, be- bzw. verhindert leider auch eine exakte Beschreibung ihrer Rechte, Pflichten und Befugnisse. Unstrittig ist, daß die Normen und Gewohnheiten, nach denen sie agierten, nicht schriftlich fixiert waren. Es wäre jedoch gewiß verfehlt, aus dieser Tatsache auf eine geringere Verbindlichkeit dieser Normen zu schließen. Schwierig ist andererseits, das 'Institut' des Vermittlers (Mediators) von benachbarten Funktionen zu trennen. So sind manchmal die Übergänge von Boten und Gesandten ('internuntii'), über die die Konfliktparteien verhandeln, zu den Vermittlern (Mediatoren) fließend. Im Unterschied zu ersteren sind Vermittler (Mediatoren) jedoch nicht an Weisungen oder Aufträge einer Partei gebunden. Benachbart ist gewiß auch die in vielfältigen Zusammenhängen bezeugte 'intercessio' oder Intervention, das Sich-Verwenden für einen anderen, das inhaltlich auf eine Vermittlung hinauslaufen kann. Den Vermittlern (Mediatoren) von der Art ihrer Tätigkeit gewiß verwandt sind auch die Schiedsrichter in der sich im 13. Jh. ausformenden Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsgericht). Ob Vermittler (Mediatoren) jedoch ihre Tätigkeit wie die Schiedsrichter mit einem förmlichen Spruch abschlossen oder eher wie die Fürsprecher einen dringenden Rat oder Vorschlag einbrachten, ist in Einzelfällen zumeist nicht klar zu erkennen. Überdies dürften die Grenzen zwischen Spruch und Rat auch fließend sein. Grundsätzlich ist zu betonen, daß Arbeitsfelder und -techniken moderner international wie national arbeitender Schlichter und Vermittler (Mediatoren) dem mittelalterlichen Institut des Vermittlers (Mediators) durchaus noch ähnlich sind. So vielfältig wie die benachbarten Erscheinungen sind auch die Bereiche, in denen Vermittler (Mediatoren) im Mittelalter beobachtet werden können. In allen sozialen Schichten wie in allen Regionen des mittelalterlichen Europa - und darüber hinaus - sind sie tätig und wirksam und namentlich im Verlauf der fränkisch-deutschen Geschichte hatte sich selbst der König Entscheidungen von Vermittlern (Mediatoren) zu fügen, wenn er Konfliktpartei war. Im Prozeß der Ausformung staatlicher Strukturen ist interessant zu beobachten, wie Gerichte anstelle von Vermittlern (Mediatoren) an Dominanz gewannen und welche Widerstände sich gegen diese Entwicklung richteten; etwa die Weigerung Hochadliger, vor solchen Gerichten zu erscheinen, die zu sogenannten Kontumazialurteilen führte. Der Unterschied zwischen Richter und Vermittler (Mediator) ist denn auch nicht zuletzt dahingehend eklatant: Auf die Bestellung des Richters hatte man keinen Einfluß. Das Prinzip »pactus legem vincit et amor iudicium«, das dem gütlichen Ausgleich (Minne) den Vorrang gibt, ist jedenfalls dem Mittelalter wesensgemäßer als der Strafanspruch des modernen Staates mit seinem zugrundeliegenden Anspruch auf den Primat aller Verbandsbildung.



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