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Assoziationen zu »Mittelalter«

Charch schrieb am 31.8. 2000 um 19:36:59 Uhr zu

Mittelalter

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Die Entwicklung des ritterlichen Turniers vom Kriegsspiel zum höfischen Fest

In Deutschland begann man sich seit der 1. Hälfte des 12. Jhs. an dem in Frankreich aufgekommenen Turnier (torneamentum) zu orientieren, dessen Übernahme jedoch eine Weile dauerte, da es auf ältere Formen des Kampfspiels traf, die es zum Teil ersetzte und zum Teil in sich aufnahm, um sie schließlich abzulösen. Bei den frühesten Erwähnungen des Turniers in deutschen Quellen von 1127 und 1148 dürfte es sich um ältere Formen von Waffenspielen handeln, da beiden Ereignissen bestimmte Merkmale fehlen, welche die Besonderheit des Turniers gegenüber der älteren Art der Waffenspiele kennzeichnen. Das Turnier sucht im Gegensatz zur Fehde -- der Feindschaft schlechthin, die mit dem Gegner auch alle seine Freunde, Helfer, Leute und das Land betrifft -- nicht den Schaden des Gegners, sondern allein den Sieg und durch ihn die Vermehrung des eigenen Ruhms. Das Turnier setzt grundsätzlich Frieden voraus; es gehört als Kampfspiel in die Sphäre der Freundschaft, die nur den begrenzten Kampf erlaubt. Es bezieht nur diejenigen ein, die dazu eingeladen oder aufgefordert sind und endet immer mit dem Sieg. Bezeichnend ist, daß der Sieger den Gefangenen ihre Freiheit zurückgibt. Dieser Kampf vereint Spiel und Ernst, läßt die Geschicklichkeit und Tapferkeit des einzelnen zur Geltung kommen und ist auf jeden Fall klar begrenzt, denn sein Ziel ist die Demonstration von reiterlicher und kriegerischer, d.h. ritterlicher Bravour und Tapferkeit zur Erlangung von Ehre und Ruhm. Der Austragungsort für die Grundform des Turniers ist ein Treffpunkt zwischen zwei Burgen oder Städten, wodurch die Beschränkung des Teilnehmerkreises gegeben ist.
Das Turnier war offenbar gefährlicher, schärfer, anspruchsvoller und damit reizvoller als das ältere Waffenspiel und seine trotz wiederholter Verbote (kirchliche Verbote seit 1130) unaufhaltsame Ausbreitung verrät seine Anziehungskraft auf Adel und Ritterschaft und zeigt, daß es gegenüber dem älteren Waffenspiel eine neue Bedeutung gewonnen haben muß. Die neue Verheißung des Turniers, der Weg zu Sieg und Ruhm, ermöglichte diesem die Einbeziehung in das höfische Fest (erstes Beispiel von 1175). Seit der Mitte des 12. Jhs. nehmen die Bezeugungen der nun meistens Turnier (torneamentum oder hastiludium) genannten Spiele außerordentlich zu.
Der Mainzer Hoftag von 1184 kann als Zwischenglied gelten, das den Rahmen des Turniers mit neuen Möglichkeiten erweiterte, die fortan Gestalt und Bedeutung des Turniers bestimmten. Das Waffenspiel zu Mainz erfolgte vor dem versammelten Hof und bezog seine Mitglieder als Teilnehmer sowie Zuschauer mit ein. War das Turnier bisher ausschließlich eine Sache des Adels, nicht des Königtums, trat auf diesem Hoffest der Kaiser selbst als Propagator von Waffenspiel und Turnier auf. In Deutschland setzten von jetzt die Turniere an den Fürstenhöfen ein und bald beteiligten sich auch in den übrigen Ländern die Könige am Turnier. In der Gemeinsamkeit des Spiels manifestierte sich über alle rechtlichen Unterschiede zwischen principes, nobiles und ministeriales hinweg ihre Gemeinsamkeit als milites: die Gemeinsamkeit des Rittertums.
Ein Charakteristikum des Turniers (turneis) im 12. Jh. -- unterschieden von Tjost und Buhurt -- ist seine Nähe zum wirklichen Kampf; es stellt die spielerische Form einer auf freiem Feld stattfindenden Reiterschlacht dar. Aus dem Spiel entwickelte sich nicht selten blutiger Ernst, da man die Gelegenheit benutzte, alte Rechnungen zu begleichen und teilweise mit scharfen Waffen kämpfte. Dichtungen des 12. u. 13. Jhs. beschreiben eine befriedete Zone für jede Seite, in der sich die Teilnehmer ohne Gefahr der Verfolgung ausruhen können. Ferner wird oft betont, daß beide Heere zahlenmäßig gleich stark sein müssen. In den französischen Turnieren des 12. Jhs. war diese Gleichteilung nicht immer die Regel, und es wurden zuweilen Hilfstruppen eingesetzt.
Auch in deutschen Turnierschilderungen erscheinen neben den Rittern leichtgerüstete Knappen (kipper), die mit Keulen oder Kolben bewaffnet sind, und deren Hauptaufgabe das Einfangen herrenloser Pferde als Beute war sowie auf Ritter einzuschlagen, die ihre Herren gefangennehmen wollten. In der Dichtung um 1200 finden sich kaum Klagen über den Einsatz von Hilfstruppen, während sie ein halbes Jahrhundert später deutlich ablehnende Stimmen aufweist. In den Kriegen des Mittelalters richtete sich die Höhe des Lösegeldes bei der Freilassung von Gefangenen in der Regel nach deren Zahlungsfähigkeit. In den Turnierschilderungen des 12. u. 13. Jhs. ist es der häufigste Fall, daß ein Gefangener Panzer und Roß verliert, bzw. deren Gegenwert als Lösesumme zahlen muß, die zuweilen im Voraus festgelegt wurde.
Das Turnier des 12. Jhs. muß ferner in seiner militärischen Bedeutung voll erkannt werden: es stellte eine wichtige und notwendige Form des kollektiven Trainings der Panzerreiter dar, die bei größeren kriegerischen Begegnungen keine Einzelkämpfer waren, sondern im Verband kämpften. Die Attacken der schweren Panzerreiterei, durch welche die feindliche Front durchstoßen wurde, setzten eine sorgsame Schulung im Verband voraus; die einzelnen Panzerreiter mußten lernen, in einer Linie und im gleichen Tempo vorzustoßen. Den Turnieren -- bei welchen man Reiterschlachten möglichst realistisch imitierte -- fiel nun die Aufgabe zu, die teuer ausgerüsteten und sorgfältig geschulten ritterlichen Berufskrieger im Formationskampf zu trainieren.
Neben dem Turnier steht der Buhurt als weiteres Waffenspiel, bei dem es weder um Gefangenschaft noch Beute geht und das ohne kriegsähnliche Vorbereitungen rein zur Übung, als Ausdruck spontanen kriegerischen Eifers oder als Paradestück zu Ehren einer hohen Persönlichkeit unternommen wird. Turnier und Buhurt sind zwei verschiedene Formen des Ritterspiels. Das Turnier verlangte volle Rüstung, bûhudieren konnte man ohne Harnisch. Die Kirche nahm eindeutig Stellung gegen das Turnier, aber der Buhurt war eine notwendige Übung für den berittenen Krieger und wird sogar in der Templerregel erlaubt. Der Buhurt wird oft mit Tanz und anderen höfischen Unterhaltungen verbunden und erscheint häufig als Teil eines Hoffestes, z.B. bei Schilderungen von Schwertleiten und Hochzeiten.
Im Unterschied zum Turnier des 12. Jhs., das den wirklichen Kämpfen der Ritter sehr nahe kam, entwickelte sich das Turnier im Laufe des 13. Jhs. immer mehr zu einer gesellschaftlichen Veranstaltung, zu einem höfischen Fest, das der Selbstdarstellung der ritterlich-höfischen Gesellschaft diente. Die Turniere wurden aufwendiger und farbenprächtiger gestaltet und verloren an Gefährlichkeit, wenngleich immer noch eine beachtliche Zahl von tödlichen Verletzungen zu verzeichnen war. Das Element der Schaustellung tritt in den bunten Bannern, den bemalten Lanzen und Schildzeichen der Beteiligten hervor. Die Wappenkunde wurde im Laufe des 13. Jhs. strenger geregelt, und Wappenbeschreibungen traten in poetischen Turnierdarstellungen immer stärker hervor (Vorläufer der berufsmäßigen Herolddichtung des späteren Mittelalters). Die Turniere wurden seit der Mitte des 13. Jhs. besser organisiert und von Rittern immer weniger allein um des Gewinns willen aufgesucht. Der ritterliche Zweikampf, der Tjost, rückte immer stärker in den Vordergrund und drängte das Kernstück des alten Turniers, die Reiterschlacht, zurück. Das hatte zur Folge, daß man die Turniere nicht mehr wie früher auf freiem Feld, sondern auf abgegrenzten Turnierplätzen abhielt. Dadurch rückte das Publikum näher an das Spielgeschehen heran und konnte von Schaubühnen aus die Kämpfe aus nächster Entfernung verfolgen. In der mittelalterlichen Dichtung ist êre eng mit der Anerkennung von seiten der Öffentlichkeit verbunden, oft mit ihr identisch. Das Turnier wird in der weltlichen Epik vorwiegend positiv dargestellt, da diese Dichtung meistens für ein Publikum an Höfen geschrieben wurde. Das gleiche Publikum, für das die höfische Dichtung bestimmt war, spielt auch in der Geschichte des Turniers eine wichtige Rolle als Zuschauerschaft, deren Gegenwart zur ethischen Verfeinerung beiträgt, indem sie dem Gedanken Vorschub leistet, daß es im Turnier wichtiger ist, Tapferkeit, Geschick und Großmut zu zeigen, als Beute einzutreiben. Erst durch die Teilnahme der Zuschauer erfuhr das Turnier die Steigerung in den gesellschaftlichen Rang.
Für Tjoste und Turnier bildete sich ein strengeres Reglement heraus, über dessen Einhaltung turniererfahrene Ritter und Herolde wachten. In England wurde das Turnier gegen Ende des 13. Jhs. im »Statutum Armorum« durch königliches Gesetz geregelt (es bestimmt die im Turnier zugelassenen -- stumpfen -- Waffen, Ausrüstungen und Personen, die einzuhaltenden Regeln und die Strafmaßnahmen für Verstöße). Der vermehrte Festcharakter des Turniers, die gesteigerte Prachtentfaltung und der hohe Anstieg der Kosten für Organisation, Gästebeherbergung, Verpflegung und Festgestaltung führten dazu, daß fast nur noch reiche Herren und mächtige Fürsten Turniere veranstalten und die Ritterschaft aus einem weiten Umkreis dazu einladen konnten. So dienten die Turniere in erster Linie der Selbstdarstellung von Fürsten und Herren, um deren Ansehen innerhalb der Ritterschaft zu steigern und ihre Macht und Großzügigkeit weithin zur Schau zu stellen.
Die während des 13. Jhs. in großer Zahl stattfindenden Turniere werden in den Chroniken und Annalen in der Regel nicht eigens erwähnt. Erst herausragende Ereignisse wie Todesfälle prominenter Personen, außergewöhnlich großartige Turniere und ritterliche Kampfspiele mit besonderen Extravaganzen finden ihren Niederschlag in der schriftlichen Überlieferung.
Das Ruhmbedürfnis der Ritter machte ihnen das Turnier unentbehrlich, das ihnen die wesentliche Möglichkeit bot, sich durch Mut und Tapferkeit hervorzutun, sich vor den anderen auszuzeichnen und aus dem Wettkampf, der durch seine Gefährlichkeit nur höheren Wert erhielt, möglichst als Sieger hervorzugehen. Das paradoxe Ideal des Rittertums suchte im Turnier eine friedliche Form des Krieges. Am Hof verlor das Turnier -- seit seinen Anfängen ein zweckbestimmtes, der Einübung in das Kriegshandwerk dienendes Waffenspiel -- seinen rein militärischen Charakter. Die großen Höfe boten als ideale Schauplätze ein sachkundiges, anspornendes Publikum, verhießen und gewährten Anerkennung und Ruhm und schenkten obendrein Teilhabe am höfischen Glanz (z.B. bezogen sie die Ritter in die höfische Mode mit ein).
Die Entwicklung des Turniers tritt, seit es vom Hof in seine Obhut genommen wird, auf doppelte Weise in unseren Blick: in Historiographie und Dichtung, und es verdient Beachtung, daß beide unterschiedliche Schilderungen bieten, d.h. das Turnier gewinnt eine neue Dimension -- die Dichtung -- hinzu. In der Dichtung tritt ein Idealbild des Turniers in Erscheinung, das auch die höfische Liebe einbezieht. Aus der Ritterdichtung, die Gesellschaftsdichtung ist, spricht das Selbstverständnis des Standes in seiner eigentümlichen Doppelheit, der Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit. Durch die Tatsache, daß der ritterliche Dichter in einer Person Ritter und Dichter ist, korrespondieren Ideal und Wirklichkeit durch seine Vermittlung miteinander, d.h. das Idealbild des Turniers ist auf dessen konkrete Gestalt nicht ohne Einfluß geblieben; man denke an die Tafelrunden-Turniere, die auf dem Hintergrund der Artussage basieren.
Die frühesten literarischen Turnierschilderungen nahmen ihren Ausgangspunkt von den wirklichen Turnieren des 12. Jhs.. Im 13. Jh. ist der umgekehrte Prozeß festzustellen, daß Waffenspiele in der Wirklichkeit sich nach literarischen Mustern, vornehmlich nach der Artusdichtung richten. Die Tjost, das Stechen mit eingelegtem Speer, war von Anfang an ein wichtiges Eröffnungsmanöver im Massenturnier und tritt seit dem 12. Jh. auch als Einzelkampf auf. In der Dichtung des 13. Jhs. tritt das Einzelstechen -- als dritte Hauptart des Waffenspiels neben turnei und bûhurt -- überaus häufig hervor. Einzelstechen und Nachahmung der Literatur fallen zusammen im Waffenspiel der 'Tafelrunde' (tabula rotunda, table rëonde, runttâfel), das von der 1. Hälfte des 13. Jhs. an bezeugt ist. Es besteht aus einer Reihe von Einzelkämpfen mit stumpfer Lanze. Diese noch stärker von spielerischen Zügen geprägte und von literarischen Vorbildern beeinflußte Sonderform des ritterlichen Turniers scheint weniger gefährlich gewesen zu sein als die herkömmliche Art. In diesem Spiel führten die Ritter die alten Namen aus dem Artuskreis und das festliche Gastmahl und die Anwesenheit der Damen nahmen schon früh eine hervorragende Bedeutung ein. Auch im deutschen Bereich war dieses Spiel offenbar sehr beliebt (Tafelrundenturniere in Deutschland: Mitte 13. Jh. in Braunschweig, 1281 in Magdeburg).
Die frühesten turnei-Belege erscheinen in Bearbeitungen der französischen höfischen Epik. In Deutschland wie in Frankreich wurde die höfische Epik in ihren Anfängen wohl hauptsächlich an den nicht königlichen Fürstenhöfen gepflegt. Die vermutlich früheste Darstellung eines Turniers in der deutschen Dichtung bietet der »Erec« Hartmanns von Aue (wahrscheinliche Entstehungszeit zwischen 1180 und 1190).
Das Turnier im »Erec« wird von Gawein, dem ersten Ritter am Artushof, und vier anderen Rittern unternommen und drei Wochen im Voraus auf einen Monat festgelegt. Erecs Ausrüstung wird ausführlich geschildert und das fröhliche Treiben der Ritter in ihren Herbergen am Sonnabend vor dem Turnier erwähnt. Am Sonntag finden Einzeltjoste und eine vespereide (eine Art formlosen Turnierens zum Einüben) statt. Vor dem Turnier am Montag besuchen die Ritter eine Messe und nach weiteren Einzeltjosten beginnt das eigentliche Turnier. Es handelt sich dabei um einen Massenkampf der beiden Heere mit Speer und Schwert, wobei die Ritter voll geharnischt sind. Erec wird von fünfzehn Knappen zum Turnier begleitet, die eine leichte Rüstung tragen und mit Keulen bewaffnet sind. Erec geht es nur um die eigene Ehre, nicht um materiellen Gewinn. Diesen erhalten Erecs Gesellen, die von seinem Erfolg profitieren. Am Schluß des Turniers fordert Erec einen Gegner zu einem Speerkampf zu Ehren seiner Dame heraus. Am Ende des Turniers hat Erec faustgroße Löcher in seinem Schild.
Hartmanns Werke markieren den Aufstieg des Wortes ritter in der Dichtung, das hierdurch im 12. Jh. eine Aufwertung erfährt. Die Verbindung von Rittertum und Turnier (welches Kriegerisches und Höfisches vereint) ist von Hartmanns Werken an durch die mittelalterliche Dichtung hindurch zu verfolgen. Es scheint, daß das Turnier einen ebenso wichtigen Einfluß auf den Rittergedanken ausgeübt hat wie der Kreuzzug. Im Laufe des 13. Jhs. dringt das Turnier in die verschiedensten Dichtungsgattungen ein und entspricht im allgemeinen dem Grundmuster des Massenkampfes wie im »Erec«. Weitgehend wird der Turnierkampf von fünf Motiven bestimmt: aus lauter Lust (durch hôhen muot), aus Hoffnung auf materiellen Gewinn (umb daz guot), im Dienst der Damen (durch diu wîp), um sich militärisch zu üben (durch lernen) und um Ehre zu gewinnen (durch prîs).
Eine Möglichkeit für unbemittelte Ritter, sich zusätzliche Einkünfte zu verschaffen, stellte die Teilnahme an Turnieren dar. Die hohen Aufwendungen vieler großer Herren für die Turniere -- sie konnten durch reiche Turniergewinne keineswegs kompensiert werden -- resultierten aus der Tatsache, daß sie in Begleitung vieler Ritter und mit großem Troß zu den Turnieren reisten, da sie sich mit einer Schar turniererfahrener Ritter umgaben, die bei den Turnieren, an welchen sie teilnahmen, in ihrer Mannschaft kämpften. Diese beinahe professionellen Turnierritter wurden systematisch angeworben und mit beachtlichen Honoraren entlohnt. Etliche Beispiele zeigen, daß die reichen Herren bei Turnierbesuchen bereitwillig die Gelegenheit wahrnahmen durch Taten die von ihnen geforderte Freigebigkeit unter Beweis zu stellen, um so ihren Ruhm zu steigern.
Die Lebensbeschreibung des Guillaume le Maréchal (des vierten Sohnes eines kleinen Ritters) -- keineswegs ein Ausnahmefall in der damaligen Feudalgesellschaft -- schildert die Welt der Turniere aus der Sicht eines armen Ritters, der durch seine persönliche Tapferkeit und seine erfolgreiche Karriere als bekannter Turnierritter zu Ansehen und Reichtum gelangt und schließlich Earl of Pembroke und Regent von England wird. Er zieht als unbelehnter Ritter durch die Lande und wird ein geschätzter Begleiter des jungen englischen Königs Heinrich, mit dem zusammen er jahrelang viele Turniere in Frankreich besucht. Als er sich zeitweise mit Heinrich überwirft und sich nach einem anderen Partner umsieht, erhält er vom Grafen von Flandern das glänzende Angebot auf 500 Pfund Jahresgehalt. Zeitweise macht er Roger de Gaugi, einen flämischen Ritter, zu seinem Kompagnon, mit dem zusammen er noch größere Erfolge erzielt: binnen zehn Monaten geling es diesem eingespielten Turniergespann allein 103 Ritter gefangenzunehmen. Wie Guillaume le Maréchal zogen viele junge Ritter, die entweder ihr väterliches Erbe noch nicht antreten konnten oder auch keine Aussicht auf Erbgut hatten, von Turnier zu Turnier, ständig auf der Suche nach Turniergewinnen, lukrativen Stellungen oder reichen Erbtöchtern.
Die jungen unverheirateten Ritter (iuvenes milites) -- außer armen Rittern besuchten auch viele Ritter in der Lebensspanne zwischen ihrer Schwertleite und der Übernahme ihres väterlichen Erbes, was meistens mit einer standesgemäßen Verheiratung zusammenfiel, die Turniere -- stellten offenbar das Gros der aktiven Turnierteilnehmer. Entweder schlossen sie sich einem reichen Herrn an oder vereinigten sich in einer Rittergesellschaft, die als solche in Turnieren und Fehden auftrat und für ein gemeinsames wirtschaftliches Auskommen sorgte.
Das Turnier war hinsichtlich der Beherbergung der Ritter und ihrer Begleiter und des Verschleißes an Rüstung und Waffen mit hohen Kosten verbunden. Die Praxis des Lösegeldes erhöhte das finanzielle Risiko, ermöglichte aber auch Gewinn, und in der Dichtung treten Ritter auf, für die das Turnier eine wichtige Einnahmequelle ist, und solche, die aufgrund von Turnierverlusten dem Ruin nahestehen. Lösegeld und Beute sind ein empfindlicher Punkt im Ethos des Turniers in der Dichtung und waren es wohl auch in der realen Praxis. Sie stellen einerseits die Möglichkeiten eines ehrenhaften Erwerbs dar, drohen das Turnier aber andererseits in die Nähe zur Fehdeführung, sogar zum Raubrittertum zu rücken. Eine ethische Lösung des Problems des Lösegelds bietet sich in der Dichtung darin, daß der siegreiche Ritter auf Beute und Gefangennahme verzichtet, Gefangene ohne Lösegeld freiläßt und erbeutete Pferde an ärmere Ritter und Knappen verteilt. In der Dichtung wird somit das Turnieren um materiellen Gewinn für ärmere Ritter gutgeheißen, während wohlhabendere Ritter -- und der jeweilige Held -- Ehre gewinnen, indem sie ihren Großmut zeigen und eher darauf bedacht sind, möglichst viele Lanzen zu brechen als Beute zu machen. Das immer wiederkehrende Motiv der Freigebigkeit des Siegers ist ein literarischer Ausdruck des Ideals der Gruppensolidarität zwischen den verschiedenen Schichten des Rittertums und des Adels und nimmt besonders im Artusroman extreme Formen an, wo es unter die Kontrolle eines idealen ritterlichen Herrschers fällt, durch dessen Freigebigkeit und Hofsitte es sich in das harmonische, freudige Leben des Hofes einfügt.
Der zunehmende Festcharakter des Turniers wirkte als Magnet für ein Publikum von vornehmen Zuschauern und vor allem von adeligen Frauen, die für die Turniere ein reges Interesse entwickelten. Von den Tribünen schauten letztere mit gespannter Aufmerksamkeit zu, verteilten Preise und Gunstbezeugungen an die besten Turnierkämpfer und standen im Mittelpunkt von Festmahl und Bankett. Sie haben die Streiter häufig angespornt, sich an Tapferkeit und Kühnheit selbst zu überbieten, so daß in diesem Wechselspiel ein starker erotischer Reiz wirksam war. Dieser scheint bei vielen Beispielen nicht unbedingt den Regeln 'höfischer' Liebe (regulae amoris) entsprochen zu haben. Turnier und höfische Liebe sind ihrer Herkunft nach unterschiedliche Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Gleichwohl weisen sie eine innere Verwandtschaft auf: beide zeigen den gleichen Sinn für die hochstilisierte Form, beide verlangen die Einhaltung fester, geradezu künstlich ausgestalteter Regeln, und die höfische Liebe konnte -- wenn auch auf andere Weise als das Turnier -- gleichwohl gefährlich sein. Um 1300 gewannen die Begleitveranstaltungen des Turniers wie Festmähler, Tanzdarbietungen und Umzüge eine große Bedeutung und drängten die eigentlichen Kampfspiele in den Hintergrund.
Anfang des 13. Jhs. wurden die Turniere zum Treffpunkt von Kaufleuten, Geldverleihern und mancherlei Volk, die alle aus diesen Zusammenkünften der Ritter einen Gewinn zu ziehen hofften. Die Hauptgeldgeber für die Turniere waren mächtige Herren und Fürsten, die sich unter großem Aufwand mit glänzenden Turniermannschaften umgaben. Durch die Turniere wurde insoweit das Geld, das sich reiche Feudalherren angehäuft hatten, ausgleichend unter die Ritterschaft verteilt. Wie im Krieg und bei wirklichen Kämpfen wollten die Ritter beim Turnier vor allem gewinnen und sich Beute in Gestalt von Pferden, Rüstungen und Lösegeld sichern. Geschäftstüchtige Kaufleute schafften Nahrungsmittel und Konsumgüter des gehobenen Bedarfs herbei, kauften und verkauften Pferde und ritterliches Ausrüstungsmaterial, gewährten Rittern, die in Geldbedrängnis geraten waren, Darlehen oder vermittelten Lösegelder zum Freikauf von Gefangenen. Im Umfeld des Turniers findet man außer dem Adel auch das stadtbürgerliche und bäuerliche Element vertreten, das durch solche Glanzpunkte der ritterlichen Oberschicht angezogen wurde und in großer Zahl zusammenströmte. Neben den Kaufleuten und Krämern mit ihren Verkaufsständen verstärkte die Anwesenheit von zahlreichen Sängern, Dichtern, Musikanten, Jongleuren und fahrenden Leuten, die hier ihr Glück versuchten, das bunte jahrmarktähnliche Treiben. Zu erwähnen sind noch die Krogierer (»Turnierrufer«), die Vorläufer der Herolde, landfahrende Personen, die über große Erfahrung in Turnierdingen verfügten, von Turnier zu Turnier reisten und die ankommenden Ritter durch Zuruf begrüßten. Für große Herren und professionelle Turnierritter erwies es sich als nützlich, sich gerade den Krogierern und Spielleuten gegenüber spendabel zu zeigen, da diese den Ruhm ihrer Gönner im ganzen Land verbreiten halfen.
Die Ausrüstung des einzelnen Turnierritters in Gestalt von teuren Turnierpferden, ausgesuchten Turnierwaffen, kostbarem Helm -, Wappen- und Pferdeschmuck und prachtvollen Übergewändern wurde ebenfalls aufwendiger und kostspieliger. Diese hohen Ausgaben dürften in den meisten Fällen nicht mehr durch lohnende Turnierbeute ausgeglichen worden sein, obwohl ein geschickter Turnierritter auch jetzt noch seinen materiellen Gewinn aus erbeuteten Pferden und Rüstungen und aus gewonnenen Turnierpreisen ziehen konnte. Unbemittelten Glücksrittern bot sich bei diesen exklusiven Treffen der vornehmen Adelswelt allerdings die Chance, Lehen und Ämter im Dienst reicher Herren zu erhalten, vorteilhafte Beziehungen zu einflußreichen Personen zu knüpfen oder reiche Erbtöchter für eine Heirat zu gewinnen. Das Turnier war demnach nicht nur ein Austragungsort für einen exklusiven Kampfsport, sondern zugleich Kommunikationszentrum, Heiratsmarkt und gesellschaftlicher Treffpunkt der adeligen Oberschicht.



Zusammengestellt von Edeltraud C. Beckers aus:
»Das ritterlicher Turnier im Mittelalter«, Beiträge zu einer vergleichenden Formen - und Verhaltensgeschichte des Rittertums
herausgegeben von Josef Fleckenstein, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, 1985, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 80, ISBN 3-525-35396-0

--- 'Das Turnier als höfisches Fest im hochmittelalterlichen Deutschland',
Josef Fleckenstein, S.229-256
--- 'Das Turnier in der deutschen Dichtung des Mittelalters',
William Henry Jackson, S.257-295
--- 'Ritterliche Wirtschaftsverhältnisse und Turnier im sozialen Wandel des Hochmittelalters',
Werner Rösener, S.296-338

Charch schrieb am 18.10. 2000 um 06:18:49 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 9 Punkt(e)

Die Mode im Hochmittelalter

Seit dem 10. Jh. war die Schicht der »Herrschenden« durch die Kleidung leicht von der Schicht der »Dienenden« zu unterscheiden.

So trugen die weltlichen Herrscher zu Beginn des Hochmittelalters wie z.B. Kaiser Otto III. (+ 1002)(Abb. 5) wie die adligen und geistlichen Herren bevorzugt byzantinische Gewänder. Über ein bis zu den Knöcheln reichendes, hemdartiges Untergewand zog man ein etwas kürzeres Obergewand. Für die Beine gab es lange, enganliegende Strümpfe und für die Füße Schlupfschuhe. In den kälteren Jahreszeiten wurde zudem noch ein langer, viereckiger Mantel benötigt, der wie üblich mit einer Fibel auf der rechten Schulter zusammengehalten wurde. Unter dem Untergewand befand sich bei den vornehmen Herren außerdem noch ein Leinenhemd und unter den Strümpfen eine Leinenunterhose.

Die langen Strümpfe oder Beinlinge wurden durch viele kleine Bändchen, die man in der Modefachsprache »Nesteln« bezeichnet, an einem Gurt, der um die Hüfte gelegt wurde, befestigt (Abb. 6). Nebenbei erwähnt, galt es bis ins 16. Jh. hinein als schick und äußerst modern, ein verschiedenfarbiges oder ein unterschiedlich verarbeitetes Paar Strümpfe zu tragen.

Dem byzantinischen Modevorbild entsprach auch das deutsche Königs- bzw. Kaiserornat, das vom 12. Jh. bis zum Jahre 1806 bei den Krönungsfeierlichkeiten angelegt wurde und aus folgenden Hauptkleidungsstücken bestand: der Dalmatika, der Alba, der Stola und dem Pluviale.

Bei der Dalmatika handelte es sich um ein kostbares violettes Unterkleid, das die Knie bedeckte und am Halsausschnitt mit einer Borte versehen war. Die langen und sich vorn verengenden Ärmel wiesen auf rotem Grund blätterartige Zierate aus Goldfäden und Perlen auf.

Die Alba wurde über die Dalmatika gezogen, war aus weißer Seide und besaß ebenfalls kostbare Säume.

Die Stola war ein langer, schmaler Stoffstreifen aus violetter Seide, der reich mit Perlen und Edelsteinen besetzt war. An ihren beiden Enden befanden sich je drei lange goldene Quasten. Die Stola wurde um den Hals gelegt, auf der Brust gekreuzt und dann unter einem Gürtel befestigt.

Das Pluviale stellte einen halbkreisförmigen, offenen Mantel aus rotem Seidenstoff dar, der mit Taft gefüttert war und bis zu den Füßen reichte. Oben wurde es durch eine goldene Spange und eine Schleife zusammengehalten. Auf der äußeren Rückenseite befand sich in der Mitte - mit Goldfäden eingestickt - ein Lebensbaum, der links bzw. rechts von einem Löwen bzw. einem Kamel flankiert wurde.

Zum Königsornat gehörten zudem noch Handschuhe, Strümpfe, Schuhe und zwei Gürtel.

Die Handschuhe aus Purpurseide waren mit Perlen und Edelsteinen bestickt. Die roten Seidenstrümpfe wiesen am oberen Rand eine Goldborte auf und wurden mittels zweier roter Schnüre am Rutschen gehindert. Die mit Gold und Perlen bestickten Schuhe wurden aus glanzlosem karmesinrotem Atlas hergestellt, und einer der beiden Gürtel war aus mit Goldfäden bestickter Seide, der andere aus vergoldeten Silberfäden gefertigt worden.

Wie die Kaiser oder Könige waren auch die hohen geistlichen Würdenträger byzantinisch gekleidet. Aber im Gegensatz zu den weltlichen Herrschern sind die Bischöfe, Erzbischöfe und Päpste noch heute in dieser mittelalterlichen Tracht zu bewundern. In der folgenden Abbildung (7) wurde der heilige Erasmus (links), der der Legende nach Bischof von Antiochia in Syrien war, in den typischen Gewändern eines Bischofs dargestellt. So befindet sich über seiner bis zum Boden reichenden, weißen Alba die kürzere, rote Dalmatika, über die die goldene Casula gelegt wurde. Auch das Schulter- oder Halstuch wie die Handschuhe, die Manipel und die Mitra fehlen nicht. In seiner rechten Hand hält er, der zu Beginn des 4. Jhs. als Märtyrer starb, die Winde, mit der seine Eingeweide herausgerissen wurden. Mit ihm unterhält sich der heilige Mauritius (rechts), der als Anführer der Thebäischen Legion im Jahre 302 bei einer großen Säuberungsaktion des Heeres in Agaunum enthauptet wurde, weil er sich wie seine Soldaten geweigert hatte, Christen zu töten. Er trägt hier die typische Ritterrüstung des Spätmittelalters, die aus dem Plattenharnisch und dem darunterliegenden Kettenhemd bestand. Nur die weißen Handschuhe passen nicht zum mittelalterlichen Ritter. Und statt der vorhandenen Märtyrerkrone schützte normalerweise der Topfhelm oder die Beckenhaube das ritterliche Haupt.

Die Alba des hohen Geistlichen stellt ein bis zu den Füßen reichendes Unterkleid aus weißem Leinen- oder Seidenstoff dar. Um die Hüfte wird ein bestickter Gürtel, der an seinen beiden Enden kleine Schellen oder Glöckchen aus Gold aufweist, und um den Hals die Stola, ein schmales, oft mit Kreuzen reich geschmücktes Band aus Wolle oder Seide, gelegt. Letzteres reicht bis zu den Füßen und wird vor der Brust gekreuzt und unter den Albagürtel geführt. Unter der Alba befindet sich noch ein rechteckiges Tuch, das sogenannte Hals- oder Schultertuch, das die Schultern bedeckt.

Über der Alba und der Stola werden ein oder zwei hemdartige Überziehkleider getragen, die Dalmatika und die Tunicella. Gewöhnlich ist die rote Dalmatika länger als die weiße Tunicella. Wenn beide Gewänder getragen werden, liegt die Dalmatika über der Tunicella.

Die Casula, ein ringsum geschlossener, glockenförmiger Umhang, ist ein ausschließliches Meßgewand und wird zusammen mit dem Pallium getragen, einer mit Kreuzeszeichen geschmückten Binde, die über die Casula gelegt wird.

Das Pluviale, der vorne offene, ursprünglich mit Kapuze versehene Umhang, wird nur auf Prozessionen getragen.

Und dann gibt es noch den Chorrock, der der Alba gleicht, aber meistens nur bis zu den Knien reicht.

Zusätzlich gehören zur Kleidung des hohen Geistlichen noch lange Strümpfe aus violetter Seide oder Samt, die durch spezielle Bänder an den Knien vor dem Rutschen gehindert werden, und ein Paar geschlossene Lederhalbschuhe, die mit Goldstickereien, Edelsteinen und Perlen versehen sind.

Außerdem wird noch die Manipel, ein schmales Band, als bloßes Ornament über dem Arm getragen. Sie soll sich aus dem antiken Schweißtuch oder Handtuch entwickelt haben, das die Priester benutzen mußten, um liturgische Gefäße, die mit bloßen Fingern nicht berührt werden durften, anzufassen.

Die Hände verschwinden unter Handschuhen, die laut einer kirchlichen Verordnung keine Naht aufweisen dürfen. Sie werden deshalb im allgemeinen in einem Stück aus purpurfarbener Seide angefertigt und besitzen auf der Oberseite häufig ein eingesticktes Kreuz.

Auch der Kopf muß bedeckt werden. Im Frühmittelalter trugen die hohen Geistlichen eine einfache Rundkappe. Erst in der zweiten Hälfte des 12. Jhs. führte man die noch heute übliche Bischofs- und Erzbischofsmütze, die Mitra, ein. Von dieser Mützenform, die im Scheitelpunkt tief eingesunken ist, hängen zwei gleichlange Bänder herab. Gewöhnlich ist die Mitra schlicht weiß. Nur bei höheren Kirchenfesten wird eine perlen- und goldbestickte Variante aufgesetzt.

Die Priester, die »weihe-rangmäßig« unter den Bischöfen stehen, dürfen von diesen genannten Kleidungsstücken das Pluviale nicht tragen; den Diakonen, die sich »weihe-rangmäßig« noch unter den Priestern befinden, ist außerdem das Tragen der Casula verboten.

Die geistlichen »Herrscher«, auch Päpste genannt, waren - wie den vorherigen Beschreibungen zu entnehmen ist - nicht nur wie die weltlichen Herrscher gekleidet, sondern besaßen wie diese ebenfalls eine Krone: die Tiara (Abb. 8), die über die Mitra mit ihren herabhängenden Bändern gesetzt wird.

Die mittelalterliche Kleidung der Mönche und Nonnen hat sich wie die der Kleriker ebenfalls nicht geändert und ist auch noch heute bei ihren verschiedenen Vertretern anzutreffen.

Die Gewänder der Mönche sind die Kutte, das Skapulier und die Kukulle.

Die bis zu den Füßen reichende Kutte gleicht einer römischen Tunika mit langen schmalen Ärmeln. Um sie wird im Bereich der Hüfte ein Ledergürtel gebunden. Das ebenfalls bis zu den Füßen reichende, weite Skapulier besteht aus zwei Stoffstreifen, die brust- und rückwärts herabfallen, und einer angenähten Kapuze. Die Kukulle, der große Ausgehmantel mit Kapuze, ist ringsum geschlossen und besitzt sehr weite Ärmel.

Die Kutte und das Skapulier stellten die gewöhnliche Haus- und Arbeitskleidung der Mönche dar. Nur wer das Kloster im Auftrag des Abtes verließ, erhielt die Kukulle.

Jeder Mönch bekam zwei Kutten, zwei Skapuliere und zwei Kukullen ausgehändigt, damit er, wenn er eines dieser Kleidungsstücke an den entsprechenden Waschtagen reinigen wollte, noch ein zweites zum Anziehen besaß. Im Sommer bot sich diese Waschgelegenheit alle drei, im Winter alle vier Wochen. Die Kutten, Skapuliere und Kukullen wurden für den Sommer aus leichten, für den Winter aus dicken, wolligen Stoffen gefertigt.

Je nach der Jahreszeit erhielten die Mönche zudem Sandalen oder geschlossenes Schuhzeug.

Die einzelnen Mönchsorden ließen und lassen sich kleidungsmäßig hauptsächlich auf Grund ihrer gewählten Farben unterscheiden. So trugen die Benediktiner die schwarze, die Zisterzienser, die Dominikaner, die Kartäuser die weiße, die Franziskaner die braune Ordenstracht. Zusätzlich gaben bzw. geben die Größe der Kapuze, die Weite des Skapuliers u.ä. noch nähere Auskünfte. So waren die weißgekleideten Kartäuser z.B. durch ihre übergroße Kapuze von anderen weißgekleideten Ordensbrüdern leicht zu unterscheiden.

Grundsätzlich besaßen alle Mönche die Tonsur. Im Abendland trug man die »Petrus-Tonsur«, bei der ein Kranz von Haaren übrig blieb. Im Morgenland gab es die Totalrasur, und die iroschottischen Brüder waren an ihrer »Jakobs-Tonsur« zu erkennen, bei der nur der vordere Teil des Kopfhaares wegrasiert wurde.

Die Nonnen - nehmen wir hier als Beispiel die Zisterzienserinnen - trugen einen weißen Ärmelrock, der bis eine Handbreit über dem Boden reichte, darüber das etwas kürzere schwarze Skapulier, das schürzenartig über Brust und Rücken lag und die obligatorische Kapuze besaß, und die weiße Kukulle, die glockenartig bis zu den Knöcheln fiel und mit überlangen und überweiten Ärmeln und einer Kapuze versehen war. Über das Haar wurde ein weißes Kopftuch gelegt, und schließlich verhüllte man noch den gesamten Kopf- und Halsbereich mit einem schwarzen Schleier.

Und wie sah es bei den adligen Damen im 10. und 11. Jh. modemäßig aus?

Hier bestimmte die Gattin des deutschen Kaisers Otto II., die byzantinische Prinzessin Theophanu (+ 991), was »in« war.

So wurde das Oberkleid kürzer, und dessen bisher enganliegenden, glatten Ärmel entwickelten sich zu weiten Hängeärmeln, die zuweilen bis zum Boden reichten.

Außerdem trug man nun in den gehobenen Kreisen sowohl bei den Damen wie auch bei den Herren die Kleider und die Schuhe in leuchtenden Farben. Wenn man sich als besonders vornehm geben wollte, empfahl es sich, seine Gewänder in Rot oder Dunkelviolett zu wählen. Auch der kostbare Schmuck mußte bunt sein. Edelsteine und Perlen schmückten den Hals und die Finger. Außerdem wurden sie noch reichlich auf die Gewänder genäht bzw. gestickt.

Und was trug die »dienende« Bevölkerungsschicht?

Der Mann aus dem Volk war stolz, wenn er sich lange erdfarbene Hosen leisten konnte. Normalerweise hatte er sich mit einem meist erdfarbenen hemdartigen Leibrock zu begnügen, während sich die Frauen erdfarbene hemdartige Kleider anfertigten.

Im 11. Jh. wurde die adlige Mode wiederum durch eine Frau besonders stark beeinflußt. Es handelte sich diesmal um die Gemahlin Heinrichs III., die Französin Agnes von Poitou (+ 1077). Durch sie verloren die bisher immer noch sackartig wirkenden Gewänder völlig an Attraktion. Statt dessen wurden ihre den Körperbau betonenden Kleider sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern sehr gefragt.

Über einem leinenen Unterhemd trugen die adligen Damen ihre farbigen Unterkleider, deren Ärmel wie bisher eng zugeschnitten waren und bis zum Handgelenk reichten. Diese Unterkleiderärmel wurden wie die Oberkleiderärmel mittels kleiner Bänder im Bereich der Armhöhlen mit den Unter- bzw. Oberkleidern verbunden. So konnten sie leicht ausgewechselt, separat vom Kleid gewaschen oder verschenkt werden. Denn als Liebespfand in den Turnieren waren sie heißbegehrte Souvenirs!

Angefertigt wurden die Unterkleider der adligen Damen im allgemeinen aus kostbarer Seide. Die Kleider der Bäuerinnen waren dagegen stets aus Wolle oder Leinen.

Mit den Oberkleidern, die über den Unterkleidern getragen wurden, betrieben die reichen Damen noch mehr Aufwand und Luxus. Sie wurden im 12. Jh. so eng zugeschnitten, daß man bei den Frauen die Brüste - beliebt waren kleine feste Brüste - nicht übersehen konnte. Von der ebenfalls enggefaßten Taille sollte das meist sehr bunte Obergewand in weiten Falten bis zu den Füßen herabfallen. Als Stoffe wurden für diese kostbaren Gewänder Atlas, Barchent, Brokat, Damast, Purpur, Samt oder Scharlach gewählt.

Atlas ist ein glatter Seidenstoff - Barchent, ein auf einer Seite aufgerauhter Baumwollstoff - Brokat, ein schwerer, reich gemusterter Seidenstoff, der Gold- und Silberfäden enthält, - Damast, ein kostbarer Stoff mit eingewebten Bildern - Purpur, ein in allen Farben zu erstehendes, kostbares Seidengewebe - Samt, ein kostbares Seiden-, Woll-, Baumwoll- oder Leinengewebe, das im Mittelalter nicht, wie wir es heute kennen, eine angerauhte Oberfläche aufwies, sondern wie Atlas glatt und schwerfallend war, - Scharlach, ein kostbarer Schafswollstoff, der in den Farben Rot, Weiß, Braun, Blaugrün und gestreift zu erstehen war.

Unter- und Oberkleider wurden grundsätzlich immer in verschiedenen Farben getragen. Zudem fielen die Oberkleider oft recht bunt aus oder waren in zwei Farbbereiche geteilt. So konnte die linke Seite des Gewandes grün und die rechte rot sein. Apropos Farben! Im Mittelalter hatte jede Farbe ihre ganz spezielle Bedeutung. Die rote Farbe war, wie schon erwähnt, besonders beliebt. Bereits bei den Germanen galt sie als Farbe des Rechtes.

Jede Farbe besaß auch in der »Liebesskala« ihren ganz besonderen Wert. So konnte der verliebte Ritter anhand der Kleiderfarben seiner Angebeteten deutlich erkennen, wie groß seine Chancen waren. Rot bedeutete Freude, Ehre und »brennende Liebe«, Grün »der Liebe Anfang« oder Verliebtheit, Blau »der Liebe Stetigkeit« oder die Treue, Grau »der Liebe Trauer«, Schwarz »der Liebe Ende« oder »des Leides Anfang und der Freude Ende«.

Weiß war die Farbe der Jungfrauen, der Unschuld und der Reinheit des Herzens. Gelb, das ursprünglich mit »erfüllter Liebe« gleichzusetzen war, wurde im Hochmittelalter zur Farbe der Prostituierten und Juden. Grün wurde im Spätmittelalter sogar zur Teufels- und Hexenfarbe abgewertet.

Auch Farbkominbationen »sprachen Bände«! Grün-Blau war gleichzusetzen mit »Anfang in der Stetigkeit«, Weiß-Blau mit »stets gutes Gedenken«, Grün-Schwarz mit »das Leiden folgt unverhofft auf erwartungsvollen Beginn« und Schwarz-Rot mit »der grausame Mord der schönsten Liebe«.

Unter den Kleidern trugen die Damen wie die Herren Strümpfe, die unterhalb des Knies mit Bändern gehalten wurden.

Während für die Bauern mittlerweile schwarzes und graublaues »Zeug« vorgeschrieben war, durften sich außer den Adligen auch die Geistlichen an den farbenprächtigen Gewändern erfreuen, bis - ja bis ihnen im 13. Jh. dies strikt untersagt wurde. So ordnete ein Kölner Konzil im Jahre 1281 an, daß es für Kirchenangehörige nicht erlaubt sein sollte, rote und grüne Stoffe, Schmuckärmel und Schnürschuhe zu tragen. Aber was bewirkten im Mittelalter schon Verbote! Die hohen Geistlichen jedenfalls ließen sich nicht einschüchtern.

Die Adligen fütterten ihre farbigen Obergewänder und Mäntel schließlich innen noch mit Pelzen vom Eichhörnchen, Fuchs, Iltis, Kaninchen, Lamm oder Schaf, Marder, Wasserwiesel, Fischotter oder mit gefärbten Stoffen.

Den fürstlichen Herrschaften blieben die Zobel- und Hermelinpelze und das »Schwanenfell« vorbehalten. Beim letzteren handelt es sich um die abgezogene, nach einem bestimmten Verfahren bearbeitete Haut einer Schwanenart, die sich durch besonders weiche Flaumfedern auszeichnete. Diese so präparierte Schwanenhaut wurde als kostbarer Besatz oder als Innenfutter verwendet.

Die langen Mäntel von halbrunder Form wurden im 12. und 13. Jh. nicht mehr wie bisher auf der rechten Schulter gefibelt, sondern durch eine Schnur oder eine kleine Kette vorne am Hals zusammengehalten. Die Schnüre oder Ketten führten zu zwei Schmuckstücken am Mantel, die großen Broschen glichen und Tasseln genannt wurden. Nach ihnen erhielt dieser Mantel die Bezeichnung Tasselmantel. Die Spange des Mantels war - nebenbei erwähnt - eine Art Abzeichen der Ehrbarkeit. In Marseille z.B. war es leichten Frauenzimmern verboten, mit Spangen besetzte Mäntel zu tragen.

Sehr oft sieht man bei Statuen des 12. und 13. Jhs., wie die vornehme Dame zwei Finger in die Schnur dieses Tasselmantels legt. Neben dem Aufraffen des Mantels galt diese Geste als »Haltung höchsten Schicks« (Abb. 9)!

Apropos Mantel! Im Mittelalter besaß der Mantel gerade im Rechtsbereich eine besondere, symbolische Bedeutung. So war es seit dem 13. Jh. in Deutschland üblich, voreheliche Kinder während des Trauungsaktes unter den Mantel oder den Schleier der Mutter treten zu lassen, damit sie zu ehelichen Kindern wurden (Mantelkinder).

Bis weit ins 12. Jh. hinein wurden die oben beschriebenen Kleidungsstücke von den Frauen zu Hause angefertigt. Auch die adligen Damen stellten zumindest ihre Unterkleider selbst her. Erst als die Modelle zu kompliziert wurden, waren Spezialisten, die Schneider, gefragt.

Die Gewänder der adligen Herren waren im 12. und 13. Jh. ebenso kostbar, bunt und raffiniert wie die der Damen. Auch sie trugen Oberkleider, die im oberen Teil eng zugeschnitten waren und unten in Falten zum Boden herabfielen. Lange Hängeärmel und Schnürbänder an den Seiten des Oberteiles waren bei ihnen und selbst bei den Mönchen sehr begehrt! Festkleider wurden z.T. noch zusätzlich mit Tausenden von Perlen und kostbaren Steinen besetzt. Kostbare Hüte und Hauben wurden mit Rubinen, Smaragden, Diamanten und Perlen verziert. Karl der Kühne (+ 1477), Herzog von Burgund, überraschte 1471 seine Frau mit einem Hut, der aus 600 großen und kleinen Perlen und unzähligen kleinsten Steinchen zusammengestellt worden war. Auch der Gürtel, den Männer und Frauen trugen, wurde oft reichlichst mit Edelsteinen und Perlen verziert. Dabei waren echte Perlen, die damals am Persischen Golf von Perlenfischern gewonnen wurden, selbst für viele Adlige unerschwinglich. Als Ersatz dienten ihnen Glasperlen aus Venedig, die von Glasmachern hergestellt wurden.

Wie der Mantel besaß auch der Gürtel im Mittelalter im Rechtsbereich seine symbolische Bedeutung. Wenn ein Verurteilter z.B. des Landes verwiesen wurde, hatte er seine Schuhe und seinen Gürtel abzulegen. Zum Zeichen ihrer Unterwerfung mußten Besiegte ihre Gürtel dem Sieger übergeben. Der Brautgürtel wurde der Ehefrau am Hochzeitstag von ihrem Gatten abgenommen, der seine Gattin durch diesen Akt völlig in seinen Besitz nahm. Eine Witwe konnte sich der Schulden ihres toten Mannes entledigen, indem sie ihren Gürtel oder ihren Mantel auf die Bahre oder das Grab des Ehemannes legte.

Neben dem Aussuchen kostbarer Stoffe und dem Anfertigenlassen prächtiger Gewänder wandten die adligen Herren und Damen viel Zeit für ihr Haar auf. Im 12. Jh. waren bei den Männern wieder längere Frisuren gefragt, die aber nicht über die Schultern reichen sollten. Mit Eiweiß und Brenneisen versuchte man auch die Haarsträhnen an der Stirn in künstliche Locken zu legen. Für kahlköpfige Herren wurden Perücken hergestellt. Besonders begehrt war dabei die blonde Haarfarbe mit einem Stich ins Rötliche. Wer zu dünnes Haar besaß, konnte eine größere Fülle vortäuschen, indem er zusätzlich gelbe Seide oder Goldfäden ins eigene Haar hineinflocht. Männer mit besonders dicken und langen Haaren ließen sich sogar Zöpfe flechten.

Die Barttracht der Herren war vom Alter abhängig. Junge Adlige waren in der Regel bartlos. Erst die Männer mittleren Alters zeigten sich mit dem vornehm gestutzten Kinn- oder dem Schnurrbart. Die älteren Herren bevorzugten den Vollbart, der zuweilen in Zöpfe geflochten oder mit Goldfäden versetzt wurde.

Für die Männer aus dem Volk war dagegen kurzes Haar vorgeschrieben.

Die adligen Frauen bedienten sich ebenfalls des Brenneisens, um ihre Haare in Locken fallen zu lassen. Junge Mädchen durften ihr Haar offen tragen. Sie schmückten es mit Blumenkränzen, Krönchen und Metallreifen oder zogen bunte Bänder durch die Haarsträhnen.

Die verheiratete Frau hatte dagegen auf Anordnung der Kirche hin in der Öffentlichkeit ihre Haare unter einem Schleier zu verbergen. Im karolingischen (8. - 10. Jh.) und ottonischen Zeitalter (10. - 11. Jh.) trugen die Ehefrauen lange, faltenreiche Schleier aus durchsichtigen Stoffen, so daß das Haar darunter immerhin noch zu erkennen war. Im 12. Jh. wurde eine neue Kopfbedeckung, das Gebende, modern. Da dessen schmale Tuchbänder fest um die Wangen und das Kinn gebunden wurden, fiel den Frauen von nun an das Sprechen, Lachen, Essen und Küssen recht schwer (Abb. 10).

Neben dem Gebende gab es noch den Wimpel (Abb. 11). Beide Kopfbedeckungen wurden vorzugsweise aus weißem Leinen hergestellt.

Auch das Haar hatte im Mittelalter Rechtssymbolkraft. Das Weiterwachsen der Haare noch gewisse Zeit über den Tod hinaus, ließ es zu etwas Geheimnisvollen werden, zu einem Sitz magischer Kräfte. So verstärkten friesische Männer ihre Schwüre, indem sie z.B. die linke Hand auf ihr Haar legten.

Nach bayerischem und schwäbischem Recht leistete eine Frau den Eid, indem sie mit den Fingern der rechten Hand den über der Brust herabhängenden Haarzopf berührte. Das Abschneiden und die Übergabe von Haar wurden als Zeichen der Unterwerfung betrachtet. Gefangenen Feinden schor man deshalb das Haupthaar. Die Tonsur der Mönche symbolisierte ihre Unterwerfung unter die Regeln des gewählten Ordens.

Die adligen Herren - ob verheiratet oder nicht - schmückten ihre Haare wie die unverheirateten Mädchen mit Blumenkränzen und Metallreifen. Besonders geschätzt wurde als Kopfbedeckung jedoch der Pfauenhut. Hierbei handelte es sich um ein Tuchgestell, das ganz mit Pfauenfedern bedeckt wurde.

Auf die Wahl der »richtigen« Schuhe legten sowohl die adligen Herren als auch die Damen großen Wert, obwohl es beim weiblichen Geschlecht für unschicklich und ordinär galt, Fuß zu zeigen.

Die Halbschuhe oder kurzen Halbstiefel, die im 12. und 13. Jh. getragen wurden, waren aus schwarzem oder farbigem Leder oder aus Stoffen wie Brokat gefertigt worden. An ihren Innenseiten befanden sich Spangen- oder Schnürverschlüsse, und vorne endeten sie mehr oder minder spitz.

Die Hände verschwanden unter kostbaren, oft weißen Handschuhen. Natürlich besaßen auch die Handschuhe im Mittelalter eine symbolische Bedeutung und zwar ganz speziell im Lehnswesen und im Marktrecht. So kann man aus dem Sachsenspiegel, dem bedeutendsten Rechtsbuch des Mittelalters, das um 1220 geschrieben wurde, folgendes erfahren:
»Kein Ort dürfe einen Markt errichten, es sei denn, der König sende seinen rechten Handschuh als Zeichen des Rechtsbannes und seines Schutzes.«

Schließlich darf im Hochmittelalter auf keinen Fall die Ritterrüstung unerwähnt bleiben.

Im 12. Jh. begnügten sich die adligen Krieger noch mit einem Ringpanzer, der aus einem mehrschichtigen Geflecht von zusammengenieteten, zusammengeschweißten und ausgestanzten Ringen bestand. Dieser Panzer reichte etwa bis zu den Knien und war mit Ärmeln und oft auch mit Fäustlingen versehen. Letztere wurden, um ein Wundscheuern der Finger zu verhindern, innen mit Leder überzogen. Aus dem gleichen Grund trug man unter den Ringpanzern zusätzlich noch einen gesteppten Wams. Für die noch ungeschützten Körperteile wie den Kopf, den Hals, die Unterschenkel und die Füße gab es noch weitere Panzerteile. So wurde der Hals z.B. durch einen dicken, gepolsterten Stehkragen geschützt.

Für den Kopf stand anfänglich der Rund- oder Spitzhelm zur Verfügung. Erst im 13. Jh. kamen die schweren Topfhelme (Abb. 12) mit ihren Sehschlitzen in Mode, unter denen die Männer - um Verletzungen allein schon vom bloßen Tragen zu entgehen - noch gesteppte Kappen aufsetzen mußten. Die Hauptwaffen des Ritters waren die Lanze und das zweischneidige, ungefähr 80 - 90 cm lange Schwert. Letztere Waffe konnte schreckliche Verletzungen verursachen und Männer mit einem Schlag von der Schulter bis zum Oberschenkelknochen zerfetzen. Da die Ritter aus Schutzgründen immer mehr unter ihren Rüstungen verschwanden, und es im Kriegsfall schwierig wurde, Freund und Feind zu unterscheiden, gelangte die Wappenkunde zur Blüte. Anhand der Wappen konnte man nun erkennen, um welchen Herrn es sich unter der Ritterrüstung handelte. Angebracht wurden diese Abzeichen auf den Waffenröcken, die über die Rüstungen angelegt wurden, auf dem Schild, auf der Schabracke (Decke des Pferdes) und manchmal auf dem Helm als Helmzier (Abb. 13).

Diese Helmzier, die außer dem Familienwappen auch Tiere, Tierkörperteile, Pflanzen, sogar Frauen (Abb. 14) darstellen konnte, wurde aus Holz, Leder, Leinen oder Pergament angefertigt und war z.T. sehr bunt bemalt oder sogar vergoldet.

Die Kleidung der Bauern und der ersten Bürger bestand im 12. und 13. Jh. im Gegensatz zu den adligen Herrschaften immer noch aus den kurzen Hemdröcken und den engen oder weiten Hosen. Einige von ihnen konnten sich noch einen Umhang, der »Glocke« genannt wurde und oft mit einer Kapuze versehen war, leisten. Die meisten Bauern und Bürger begnügten sich jedoch mit der Gugel (Abb. 15), einer an einem breiten Schulterkragen befestigten Kapuze. Ihre Frauen gaben sich wie bisher mit ihren Hemdkleidern zufrieden. Als Schuhe standen den Bauern und Handwerkern - wenn diese sich überhaupt welche leisten konnten - geknöpfte oder geschnürte Halbstiefel zur Auswahl. Viele von ihnen hatten jedoch barfüßig ihrer Arbeit nachzugehen.

Bei den Adligen dagegen wurde im 12. Jh. eine neue Schuhform »hochmodern«: der Schnabelschuh (Abb. 16).

Angeblich soll ein gewisser Graf Fulko IV. von Anjou (+ 1109) diese Schuhform erfunden haben, um seine deformierten Füße in ihnen verbergen zu können.

Eine absolut neue Erfindung war der Schnabelschuh jedoch nicht. Diese Schuhform wurde schon seit langem im Orient getragen. Wahrscheinlich gelangte er mit anderen morgenländischen Kulturgütern durch die Kreuzzüge nach Europa. Neu an den »abendländischen« Schnabelschuhen war nur, das zum erstenmal ein rechter und ein linker Schuh unterschieden werden konnte. Diese Unterscheidung gab es bei den mittelalterlichen Schuhen bisher noch nicht!

Die im Laufe der Jahrzehnte immer länger werdende Spitze des Schnabelschuhs wurde mit Werg, also mit den Zubereitungsabfällen von Flachs, Hanf usw., ausgestopft. Gefertigt wurden sie in den Materialien Leder oder Samt. Kostbare Schnabelschuhe wurden zusätzlich noch mit Perlen oder Goldstücken verziert. Als besonders »schick« hielt man ein unterschiedlich gefärbtes Paar. Vielleicht am linken Fuß ein blauer, am rechten Fuß ein roter Schuh?

Selbst die Ritter konnten auf ihre eisernen Schnabelschuhe nicht verzichten. Die eisernen Spitzen, die erst nach dem Aufsitzen zu Pferde angesteckt wurden, mußten beim Gehen oder Kämpfen jedoch entfernt werden, da man mit ihnen kaum vorwärts kam, geschweige denn fliehen konnte. Ja das Gehen mit Schnabelschuhen hatte so seine Tücken! Auch die Zivilbevölkerung konnte davon ein Lied singen! Um beim etwas schnelleren Vorwärtsschreiten nicht ständig über die eigenen Füße zu fallen, halfen sich pfiffige Leute, indem sie die Spitzen ihrer Schuhe mittels eines Kettchens am Knie »hochbanden«.

Um die teuren Schuhe vor dem Dreck und Schlamm der mittelalterlichen Straßen zu schützen, gab es zusätzlich noch die Trippen (Abb. 17), aus Holz gefertigte Unterschuhe, die unter ihrer Sohle häufig zwei absatzartige Verstärkungen aufwiesen. Die Trippen, die unter den eigentlichen Schuhen getragen wurden, konnten durch Lederriemen am Fuß befestigt werden. Schnabelschuhe und Trippen ließen bei ihren Trägern oder Trägerinnen jedoch nur einen trippelnden Gang - wie bei den Chinesinnen bis zu Beginn des 20. Jhs. oder traditionsbewußten Japanerinnen - zu. Zunächst war der Schnabelschuh nur dem Adel vorbehalten, aber schon bald wurde er auch von Patriziern, von Geistlichen, sogar von Handwerkern, Knechten und Bauern getragen. Im 14. Jh. sah sich die Obrigkeit deshalb gezwungen, in Kleiderordnungen wiederholt gegen die Auswüchse und vor allem gegen die Länge der Schnäbel vorzugehen. Es wurden sogar für einige Stände Beschränkungen und Kaufverbote angeordnet, die jedoch nichts änderten.

Charch schrieb am 27.12. 2000 um 21:02:25 Uhr zu

Mittelalter

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Der Klerus in der höfischen Gesellschaft

Der Hofgeistliche

I. Der Einfluss der Kirche auf die höfische Gesellschaft

Gewiss wurde in der traditionellen Mediavistik der tatsächliche Einfluss der Amtskirche auf die gehobenen sozialen Gruppen des Hochmittelalters häufig überschätzt. (1)
Insbesondere die etablierte Schicht der Ritterschaft macht spätestens ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts deutlich, dass sich der Adel in einem kräftigen emanzipatorischen »Aufwind« gegenüber den Regeln, Normen und Verboten der Amtskirche befand. (2) Man bedenke nur das seit 1178 immer wieder ausgesprochene Turnierverbot verschiedener Päpste (3), das tatsächlich nie hatte wirksam umgesetzt werden können.
Auch war der Adlige in der Spätstaufischen Epoche (ca. 1200 - ca. 1250) durchaus in der Lage, einmal einen päpstlichen Bann für gewisse Zeit zu verkraften, ohne dadurch in unüberwindliche psychische, geistliche oder soziale Schwierigkeiten zu geraten (siehe hierzu die Beispiele des Kaisers Friedrich II. (4) oder Heinrich I. von Anhalt. (5)

In keinem Fall aber sind Macht und Einfluss der - seit mehr als einem Jahrtausend gewachsenen Amtskirche einerseits, und eines, tief in allen Gesellschaftsschichten verwurzelten, und zum Teil in vorchristlichen Zeiten (6) zurückreichenden Volksglaubens, zu unterschätzen!
Vielmehr müssen wir es als gegeben hinnehmen, dass die Kirche im hohen Mittelalter eine ganz wesentliche, normengebende und - kontrollierende, gesellschaftliche Instanz war.
Selbstverständlich stürzte gerade die Kirche das gesellschaftliche voll etablierte Postulat von der »gottgegebenen Gesellschaftsordnung« (7) besonders nachdrücklich.

Gewisse Rechte des Klerus sind als traditionell verbürgt und geschützt zu betrachten. Wie der Anspruch auf Schutz durch die weltliche Obrigkeit (8) ein Recht auf Versorgung (z.B. durch Pfründe) und auf die Ausübung der geistlichen Ämter. (9) Leib, Leben und Freiheit der Kleriker galten als geschützt; Gefangennahme oder Mord konnten mit dem Tode geahndet werden, sofern es sich nicht um fahrende Kleriker (10) handelte.

Wir können davon ausgehen, dass nahezu jeder deutsche Adlige in irgendeiner Form der christlichen Religiosität verpflichtet war, also »geglaubt« hat. Gleichfalls wird er - auf die eine oder andere Weise - der Amtskirche, bzw. einem ihrer Teile, verbunden gewesen sein, auch wenn der direkte päpstliche Einfluss auf Deutschland in der Zeit von 1150 - 1250, phasenweise sehr gering gewesen sein mag.
Auch und gerade in diesem Zeitraum haben die durchschnittlichen deutschen Adligen - sei es nun aus religiöser Überzeugung, aus »Aberglauben«, oder aus politischem Kalkül heraus, immer wieder versucht, sich mit den für sie greifbaren Vertretern der Amtskirche gut zustellen und sie in verschiedenen Formen zu unterstützen (11) (Übergriffe gegen kirchliche Besitzungen oder Personen sind im Einzelfall zu beleuchten!).
Neben Klostergründungen, Landgaben, Reliquienschenkungen, Pilgerreisender Adliger, Teilnahmen an Kreuzzügen, vordergründig christliche Lebensweise uns so fort, ist an dieser Stelle das Phänomen zu erwähnen, dass sich der deutsche Hochadel, besonders im 12. und 13. Jahrhundert, bemüht hat, Heilige aus eigenen Reihen zu stellen. (12)

Als wichtig erscheint es mir, sich vor Augen zu führen, dass die Kirche in der spätstaufischen Zeit kaum existiert hat. Stellen wir fest: Durch den Investiturstreit (13), zahlreiche Papstschismen (14), verschiedene soziale und geistliche Bewegungen (wie die der Katharer und Waldenser, deren Ideale teilweise in der kirchlich sanktionierten Armuts- Bettelorden-bewegung (15) aufgegriffen werden mussten), hatte die Amtskirche ihre absolute Macht und Unantastbarkeit bis zur spätstaufischen Epoche verloren.
Wesentliche Aspekte ihres Status aber waren gesellschaftlich etabliert und dienten unter anderem dazu, althergebrachte Positionen, und damit auch ihren relativen Einfluss auf den Adel - bzw. die höfische Gesellschaft - zu sichern. Dazu gehört der beträchtliche Einfluss auf den altverankerten Volksglauben, das relative Bildungsmonopol (16), damit verbunden die Beherrschung der »Sieben freien Künste« (17) und eine recht hohe, ökonomische Machtposition. (18)
Von besonderer Bedeutung ist auch die enge Verzahnung von Adel und Amtskirche. Es wird kaum eine adlige Familie gegeben haben, die nicht mindestens eines ihrer Mitglieder im kirchlichen Dienst untergebracht hatte. (19)
Über die Hofgeistlichen wirkte die Kirche entscheidend auf die höfische Gesellschaft ein; nahm Einfluss auf die Entwicklung höfischer Regularien, auf die Normen und Sitten an den Höfen.

II. Der Hofgeistliche

II. 1: Vorbemerkungen

Wie oben bereits angedeutet, müssen wir für die spätstaufische Epoche davon ausgehen, dass - jedenfalls im Raum des »Deutschen Reiches« - viele hochqualifizierte Berufe von Personen mit geistlicher Bildung ausgeübt wurden.
(Zitat Bumke, Joachim: »Höfische Kultur«..., S. 76 - 77) »Darüber hinaus nahmen die Hofkleriker eine Fülle verschiedener Aufgaben war; der Hofarzt war in der Regel ebenso Kaplan wie der Hofarchitekt und der Prinzenerzieher, und auch die diplomatischen Missionen wurden vielfach Angehörigen des geistlichen Standes übertragen. Das Personal der Hofkapelle war zum Teil identisch mit dem der Kanzlei, den Notaren und Schreibern, in deren Händen, unter der Leitung des Kanzlers, der gesamte Schriftverkehr des Hofes lag«.
Bis auf wenige Ausnahmen müssen diese (geistlich) Gebildeten ihr Wissen, bzw. ihre Fertigkeiten, in klösterlichen, bzw. ähnlich gearteten kirchlichen Bildungsinstitutionen erworben haben, denn im deutschen Kulturraum entstanden die ersten Universitäten erst nach der Gründung der Prager Universität (im Jahre 1348), und zwar in Wien, Erfurt, Heidelberg und Köln. (20)
In der Stauferzeit standen auf den europäischen Kontinent nur Universitäten wie Salerno, Bologna, Paris, und ab 1244 - als Stiftung Kaiser Friedrich II. - die Universität in Neapel (21) zur Verfügung.
Selbst wenn wir von einer nicht zu unterschätzenden »horizontalen Mobilität« (22) auch in der spätstaufischen Epoche, ausgehen können, dürften die Absolventen solcher Einrichtungen nur in geringem Umfang die Geistlichen, Rechtsgelehrten und anderweitig Gebildeten, an den deutschen Höfen gestellt haben.
Für die breitere Bildung der Geistlichkeit gilt folgender Satz: »Im Laufe des 9. und 10. Jahrhunderts schaffen und unterhalten die Klöster sowohl eine innere als auch eine äußere Schule, wobei die eine der Ausbildung der künftigen Mönche und die andere der Ausbildung der Laien und des weltlichen Klerus dient«. (23) Allerdings lässt sich "... sicherlich von 800 bis 1100 von einem Vorherrschen der klösterlichen Bildung sprechen, während danach die Dom-, Kathedral-, Stifts-, und zuletzt die Pfarrschulen an Bedeutung gewinnen. (24)

Folgendes ist bei der Betrachtung von Berufen und Aufgaben der Geistlichen am Hofe zu berücksichtigen: Das, was uns übermittelt wurde, betrifft zum größten Teil die Gegebenheiten an den »großen« Höfen, das heißt, die königliche und kaiserliche Hofgesellschaft.?? Wenig ist uns bezüglich der Fürstenhöfe, noch weniger über die kleinen und kleinsten Grafenhöfen oder gar Ritterburgen überliefert. Es besteht daher oft das Erfordernis, von den bekannten Fakten (Geistliche an Königs- und Kaiserhöfen) auf unbekannte (Geistliche an kleineren Höfen) zu schließen; dies Selbstverständlich nicht willkürlich, sondern unter Berücksichtigung anderer bekannter Sachverhalte.

II. 2: Berufe und Funktionen Geistlicher am Hofe

In dem zu Beginn des Kapitels genannten Zitat Joachim Bumkes, wird die Bandbreite der Funktionen deutlich, die Kleriker an hochmittelalterlichen Höfen wahrgenommen haben.
An dieser Stelle will ich sie zusammenfassend und bereits um die anderen, wesentlichen Funktionen ergänzt, vorstellen. Weiter unten sollen sie dann näher ausgeführt werden.

Der Kleriker als Priester
Als Prediger / Zelebrant der Messe
Als Beichtiger / Seelsorger

Der Kleriker als Pädagoge
Als Erzieher zum Glauben
Als Mädchenerzieher

Als Lehrer in den sieben freien Künsten
Als Lehrer der Hofetikette und höfischen Ethik
Der Kleriker als Rechtsgelehrter
Als Notar
Als Rechtsberater

Der Kleriker als Schreibkundiger
Als Kanzler
Als Schreiber
Der Kleriker als Diplomat
Der Kleriker als Spezialist in besonderen Fachgebieten

II. 3. Der Kleriker als Priester

Während an den größeren Höfen ein umfangreiches Kontingent an Klerikern versorgt werden konnte, ist davon auszugehen, dass an kleinen und kleinsten Höfen nur wenige - bzw. nur ein Geistlicher - Platz fanden.
In solchen Fällen werden die Priester am Hofe auch andere als ihre eigentlichen Aufgaben wahrgenommen haben.

Den Status des Klerikers als Priester macht den Erhalt der höheren Weihen und das Recht (bzw. die Verpflichtung), die Sakramente (25) zu spenden, aus.

II. 3.1 Der Priester als Zelebrant der Messe und als Prediger

Der Kleriker als Priester am Hofe hatte zunächst einmal die Aufgabe, die Messe (26) zu lesen, was in der Regel mit der Eucharistiefeier (das heißt, dem Altarsakrament, bzw. dem Abendmahlsakrament verbunden war.

Bis zum hohen Mittelalter entwickelte sich die Praxis, die chorischen Gesänge der Messe immer weniger von der Gemeinde, als vielmehr von einem zusammengestellten Chor singen zu lassen. (27) Im nichtmonastischen - also außerklösterlichen Gottesdienst - konnte dieser Chor sowohl aus Laien als auch aus Klerikern (auch Priestern) bestehen.
An größeren Höfen werden die Hofkapelle mit Sicherheit auch Chöre, zur Durchführung der Messe, vorgehalten, oder - in anderen Fällen - »gute Stimmen« aus der Hofgesellschaft zur Erfüllung von Gesangsaufgaben gebeten worden sein.

Der Wortgottesdienst, als Bestandteil der Messe, gewann ab dem frühen 12. Jahrhundert an Bedeutung. Im 13. Jahrhundert intensivierte sich diese Entwicklung, mit der Bildung der »Bettel- und Predigerorden« (der Franziskaner und Dominikaner). Während die offizielle liturgische Sprache weiterhin das Latein blieb, wurden die Predigten immer häufiger in der jeweiligen Landessprache abgehalten. (28)

Die Aufgabe des Priesters, bezogen auf seine Funktion als Prediger (29), bestand:

1. in der Verkündung und Auslegung der Heiligen Schrift,
2. in der Übertragung der Auslegung auf die aktuelle Situation in der Gemeinde oder
3. des Reiches.

Letztere beiden Aspekte bedeuteten für den Hofgeistlichen:

1. Er hatte konkrete Situationen im alltäglichen Leben der Hofgesellschaft aus biblischer Sicht zu reflektieren und zu kommentieren.
Diesbezüglich konnte er Forderungen an die Gemeinde richten.

2. Er hatte die »Solidarität« gegenüber dem (weltlichen) Herrn zu wahren. Vermutlich werden Hofgeistliche auch in der Predigt dessen Interessen vertreten haben, z.B. durch einen Aufruf, an einer Schlacht teilzunehmen oder anderen Pflichten - gegenüber dem Grundherrn - nachzukommen.

Geistliche an deutschen Höfen, werden sich häufig in Konflikten zwischen ihren Ver-pflichtungen gegenüber dem Heiligen Stuhl und ihrem weltlichen Herren befunden haben.
Diese Konflikte waren sicher nahezu ebenso oft dadurch abgemildert, dass die deutschen Bischöfe ihre Ämter mit einer relativen Selbstständigkeit gegenüber dem Pontifex in Rom versahen, und von dieser Seite in Streitfragen vielfach zumindest eine »moralische Akzeptanz« zu erwarten war.

II. 3.2 Der Priester als Beichtiger / Seelsorger

Als Seelsorger bestand die Aufgabe des Priesters im Hochmittelalter ausschließlich in der Spende der Sakramente, insbesondere in der Abnahme der Beichte. (30)
Natürlich war seine erste Aufgabe im Zusammenhang mit der Rolle des Beichtigers, die des Trostspenders und des Geistlichen, der über die Seele seiner Beichtkinder wacht, bzw. sich um deren »Seele sorgt«, was der Begriff des Seelsorgers ja ausdrückt.

Nach Nennung der Formel »Mea culpa, mea maxima culpa« seitens der / des Beichtenden kommt es zur Aussprache zwischen ihm und den Priester, in dem er / sie die Sünden bekennt. Der Priester bespricht die Sünden, gibt in der Regel eine Buße auf und erteilt die Absolution.

Allein durch seine Befugnis, Sünden zu beurteilen und mit Buße, also »Strafen« zu belegen, konnte der Geistliche als Priester, Einfluss auf das Geschehen am Hofe - und unter Umständen, auch mit reichspolitischer Wirkung - ausüben.

Es galt im Hochmittelalter das Beichtgeheimnis. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass der Priester Kenntnisse von Wahrheiten - auch intimster und geheimster Natur - besaß, und ihm schon deshalb mit Respekt, vielleicht auch mit Misstrauen und Furcht begegnet wurde. Daraus allein konnte eine Machtposition erwachsen.
Sollte ein Hofgeistlicher - im Einzelfall - diese Kenntnisse missbräuchlich verwendet haben, so ließ sich diese Machtstellung möglicherweise immens steigern. Fememorde an Geistliche - in ähnlichen Zusammenhängen - sind immerhin überliefert. (31)

II. 4 Der Kleriker als Pädagoge

Auf andere Weise, aber mit mindestens ebenso großer Effizienz, wirkten die Geistlichen bei der Gestaltung der höfischen Gesellschaft als Lehrer mit.
»Als Erzieher am Hof haben die Kleriker sicherlich einen bedeutenden Einfluss auf die Gesellschaftsvorstellungen des weltlichen Adels ausgeübt«. (32)

II. 4.1 Der Kleriker als Erzieher im Glauben

II. 4.1.1 Ideologische Grundvoraussetzungen

Die spätstaufische Epoche lebte im Konflikt zweier widerstreitender Lehrmeinungen, nämlich der »Scholastik«, die ihren wesentlichen Denker in Petrus Abaelaerd (33) hatte, und der aufkommenden »Mystik«, als deren früher Vertreter Bernhard von Clairvaux (34) gilt. Beide lebten bis ca. zur Mitte des zwölften Jahrhunderts. Ihrer beiden Denkgebäude prägten die nachfolgenden Jahrhunderte entscheidend. (35)

Der eher »weltoffene«, auf Disputation und Auseinandersetzung (36) angelegte, scholastische Ansatz des Petrus Abaelaerd, wird dem weltlichen Adel der spätstaufischen Epoche eher entsprochen haben, als die kontemplativen, auf persönliche Gotteserfahrung, Askese und weltabgewandter Versenkung, abzielenden Lehren Bernhard von Clairvaux. (37)
Es ist davon auszugehen, dass die Scholastik, als religiöses und philosophisches Glaubens- und Denkmodell, an den Höfen - zunächst den französischen, später auch den deutschen - von der adligen Gesellschaft angenommen worden ist.

Der scholastischen Denkweise entspricht eine weltnahe Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen religiös - biblischem Anspruch, und den realen, alltäglichen Bedingungen des Lebens, auch denen am Hofe.

Dies kann allerdings nicht bedeuten, dass es keine Kleriker, deren Ausbildung in den Händen kontemplativ motivierter Orden gelegen hat, an den weltlichen Höfen gab.
Aber sie werden sich - zumindest bis zu gewissen Graden - den - höfischen Ansprüchen angepasst haben, um andererseits wiederum aus ihrer religiös - weltanschaulichen Sicht heraus den Hof zu beeinflussen, so, wie alle Hofgeistlichen ihren Beitrag zur Entwicklung einer höfischen - und ritterlichen - Gesellschaft geleistet haben. (38)




II. 4. 1.2 Glaubenserziehung am Hofe

Eine klare Trennung zwischen einer gesellschaftlichen - bzw. ständischen - Erziehung, und einer reinen »Religionspädagogik«, also einer Erziehung zum christlichen Glauben, im Hoch- mittelalter, ist meines Erachtens heute kaum zu machen. Natürlich vermischten sich in der Spätzeit der staufischen Epoche, auch im Bewusstsein der Geistlichkeit, ritterliche und biblische, antike und mittelalterliche Traditionen.
Die Kleriker hatten den »wahren christlichen Glauben« zu lehren; dies war nicht nur der päpstliche Auftrag, sondern entsprach auch den Anspruch der christlichen Laien. (39)
Das hat er nach »bestem Wissen und Gewissen« zu tun. Dies hieß insbesondere, dass er seinen Educanden (40) eine profunde Bibelkenntnis vermitteln musste.
Darüber hinaus bestand der Anspruch (vonseiten der kirchlichen und der weltlichen Obrigkeit), dass der Geistliche seinen Beitrag zur Lösung rein diesseitiger Konflikte leistete; er hatte die aktuelle Lage - im privaten, persönlichen Bereich, wie in politischen Dingen, auch überregionale und reichsrelevante Belange betreffend - zu berücksichtigen und die Folgerungen praktisch umzusetzen.

Eine gesellschaftliche Grundlage des hohen Mittelalters bildete die »ständische« Ordnung.
Eine wichtige Aufgabe der Geistlichen war es, diese gottgegebene Ordnung" (41) zu manifestieren, zu begründen, zu erklären und zu vertreten.
Durch das Handeln innerhalb dieser »gottgewollten Ordnung«, qualifizierte sich der mittelalterliche Mensch zum »guten Christen«; ergo war es ein primäres Ziel des Klerus, der jeweiligen Gemeinde (eben auch der Höfischen), das adäquate Verständnis dafür zu lehren.

II. 4.2 Der Kleriker am Hofe als Mädchenerzieher

Die erzieherische Arbeit von Hofgeistlichen gegenüber den adligen Mädchen, zielte auf deren gesellschaftliche Einordnung ab.
Noch im 13. Jahrhundert wirkten die Einschätzungen der spätantiken Kirchenväter nach:
»Weil die weibliche Natur so schwach ist, müssen Frauen sorgsamer belehrt und angeleitet werden als Männer.« (42)
Vinzenz von Beauvais, ein französischer Kleriker, verfasste zur Zeit Ludwig IX. von Frankreich (Tod 1270) die Schrift: Über die Erziehung königlicher Kinder." (43)
Unter anderem empfiehlt von Beauvais, dass die Mädchen einer strengen Bewachung unterliegen sollen, um ihre Jungfräulichkeit zu schützen, sie sollen nur zum Kirchgang - unter der Bewachung durch die Mutter - das Haus verlassen. Damit sie nicht auf »schlimme Gedanken« kämen, sollten sie zuhause beschäftigt werden: Sie sollen spinnen, weben und nähen, sie sollen lesen lernen und sich viel mit dem Psalter und den heiligen Schriften beschäftigen. Sie sollen außerdem viel in guten Sitten und Bräuchen unterwiesen werden, vor allem sollen sie über

- Schamhaftigkeit und Keuschheit
- Demut
- Schweigsamkeit und
- Würde der Sitten und Gebärden

belehrt werden.

Ein Teil der Ausbildung in Sitten- und Tugendlehre der Mädchen wird in den Händen der Hofkleriker gelegen haben, ebenso wie die »literarische Ausbildung«. (45)

II. 4.3 Der Hofkleriker als Lehrer in den »Sieben freien Künsten«

An den deutschen Höfen spielte von den »Sieben freien Künsten« vermutlich die Rhetorik (Redegewandtheit) die größte Rolle, vor Lesen, Schreiben und Rechnen. Diese wurde - vor allem im Alter von vier bis sieben???; aber auch darüber hinaus, den Jungen von Geistlichen vermittelt. Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie vervollständigen die »sieben freien Künste«. (Siehe auch Fußnote 17)

II. 4.4 Der Hofkleriker als Lehrer der Hofetikette und der höfischen Ethik

Das das Idealbild des höfischen Ritters (der »miles christianus«), unter maßgeblicher Beteiligung der geistlich Gebildeten ausformuliert wurde, gilt nach Bumke (47) als zwingend logisch.
Die gesamte höfische Ethik, einschließlich des ritterlichen Tugendsystems (48) entstand unter dem starken Einfluss des Klerus. »Die Gattung der höfischen Tischzucht ist offenbar von Gebildeten Hofklerikern geschaffen worden; ...« (49)
Allein in diesen drei Aspekten ist erkennbar, wie groß der Einfluss des höfischen Klerus, aus der »Theorie« heraus, auf Ethik und Etikette am Hofe gewesen ist.
Selbstverständlich ist der Schluss, dass auch in der höfischen Praxis, die Hofkleriker Einfluss auf diese Inhaltsbereiche zu nehmen trachteten. Mit welchem Erfolg ist nicht einwandfrei erklärbar, ist es doch nahezu unumstritten, dass »Tugendlehren« und vergleichbare Schriften, eher einen Anspruch, eine Forderung formulierten, als dass sie reale Zustände wiedergaben.

In der Praxis wird die Vermittlung der Hofetikette und der höfischen Ethik durch die Hofkleriker in der Predigt, in der Mädchenerziehung, in der Beichte und im vertraulichen Gespräch stattgefunden haben.

II. 5 Der Hofkleriker als Rechtsgelehrter, Schreibkundiger und Diplomat
Die Kanzleien

Laut Bumke (50), (siehe auch das Zitat auf Seite 2 - II. 1), waren die Notare in der Regel Angehörige der Hofkapelle, d.h. Geistliche.
Da die Gesetze, bis zur Niederschrift des Sachsenspiegels (51), in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, weitgehend mündlich überliefert, die weltliche Rechtsprechung ohnehin in den Händen des Adels und der von ihm im Delegationsverfahren beauftragten Personen lag, kam den Geistlichen in den höfischen Kanzleien in erster Linie die Funktion des Notars und des Schreibers zu.

Ab dem 12. Jahrhundert bildete sich ein geregelter Schriftbetrieb an den Fürstenhöfen heraus.
Zitat: »Die Fürstenkanzleien des 12. und 13. Jahrhunderts darf man sich nicht als gut organisierte Behörde vorstellen. In den meisten Fällen gab es dort nur einen Notar (notarius), der nicht selten auch als Schreiber tätig war, oder ein bis zwei Schreiber beschäftigte.« (52)
Zitat: "Die Notare waren in der Regel Geistliche. Der erste Laie ist 1296 in einer niederbayrischen Kanzlei bezeugt.
Bei der Auswahl und Bestellung ihrer Notare konnten die Fürsten vielfach auf ihre Hofkapläne zurückgreifen. Ebenso wie Kanzler am Kaiserhof, in deren Händen die Leitung der Reichskanzlei lag, überwachten die Notare am Fürstenhof nicht nur den gesamten Schriftverkehr, sondern wurden auch zu anderen vertrauensvollen Diensten herangezogen, vor allem zu diplomatischen Missionen. Dafür wurden sie dann mit hohen kirchlichen Ämtern belohnt." (53)
Zitat: »Die Ausfertigung von Urkunden bildete nur einen Teil des Aufgabenbereiches der neu eingerichteten Kanzleien, und wohl nicht den wichtigsten.« (54) Es wurden Urbare (Aufstellung der Einkünfte und Besitztümer), Lehnsbücher, Amts- und Geschäftsbücher, Rechnungsbücher und Steuerverzeichnisse verfasst.
Als berühmte Beispiele von Reichskanzlern, die jeweils auch wichtige Diplomaten des Reiches waren, gelten Rainald von Dassel (unter Friedrich I. von Staufen) (55) und Hermann von Salza (unter Friedrich II. von Staufen). (56)

II. 6 Kleriker am Hofe in Spezialfunktionen

Viele Aufgaben an Höfen im deutschen Kulturraum, wurden im Hochmittelalter von Klerikern wahrgenommen, weil ihre (geistlich - klösterliche) Bildung, oder andere Qualitäten sie dafür prädestinierten.
So gibt es z.B. einen Bericht über die Hofhaltung der Hennegauer Grafen, aus dem frühen 13. Jahrhundert, aus dem hervorgeht, dass der »Kleriker Martin den Kellerschlüssel zu verwahren hatte«. (57)

Ein klein wenig ausführlicher möchte ich folgende Sonderfunktionen beschreiben:

II. 6.1 Der Kleriker als Hofarzt

Die »akademische Medizin« war in der Stauferzeit im deutschen Kulturraum wieder extrem unterentwickelt. Es gab zwar »wissenschaftliche Versuche«, z.B. Hildegard von Bingens, volksmedizinische Erkenntnisse anzuwenden und zu sammeln (58), eine systematische Medizin hat es, auch bedingt durch kirchliche Aversionen gegen die Chirurgie (59) nicht gegeben.
Fest steht dennoch, dass es immer Ärzte an Höfen gegeben hat. So sind z.B. für den Babenberger Hof, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zwei - der Kanzlei angehörige Kleriker nachweisbar (Heinrich und Symon) (60), die als Hofärzte gewirkt haben.
Wesentlich für die medizinischen Vorstellungen des Hochmittelalters, im deutschen Kulturraum, waren die Lehren des Hippokrates und Galenius. (61)

II. 6.2 Spezialisten auf handwerklichen und künstlerischen Gebieten

Wir können davon ausgehen, dass im weiter oben (S. 2 - II. 1)skizzierten »Bildungssystem« des Mittelalters, eingroßer Teil der Handwerker und Künstler, die für geistliche, aber auch für weltliche Fürstenhöfe tätig waren, eine geistliche Ausbildung besaßen. Man muss gar nicht unbedingt auf geschichtlich bekannte Größen, wie den Bischof Bernward von Hildesheim abzielen.
Zitat: »Er glänzte in der Schrift, übte aber auch die Malerei aus und beherrschte die Techniken des Schmiedens und Schmelzens.« (62)
Denn für die Erfüllung ihrer Dienste gegenüber der weltlichen Obrigkeit sind viele andere Künstler, bzw. Handwerker bekannt, die aus Kreisen mit geistlicher Bildung stammen, wie z.B. der Konverse des Zisterzienserklosters Walkenried Jordan, für dessen Verdienste bei der Trockenlegung der »Goldenen Aue'« (63) eines damals sumpfigen Landstriches in Nord- Thüringen, das Kloster von Kaiser Friedrich I. (»Barbarossa«), reich belohnt wurde.
Beide Reformorden der Benediktiner (64), die Zisterzienser (65) wie die Prämonstratenser (66) waren Spezialisten in der Urbarmachung von Land, im Bauwesen wie auch im Bergbau (67), was auch die weltliche Obrigkeit sicher immer wieder veranlasste (siehe das Beispiel Walkenrieds, (Fußnote 63), sich ihre Dienste nutzbar zu machen.

Eine Ausarbeitung von Carsten Baumann - Bremerhaven.


Quellennachweise und Anmerkungen:


1. Werner, Ernst; Erbstößer, Martin: »Kleriker, Mönche, Ketzer. Das religiöse Leben im Mittelalter«. Herder: Freiburg - Basel - Wien 1994 S. 8 - 9

2. Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter Bd. 1 dtv München, 1987 S. 376

3. Krüger, Sabine: Das kirchliche Turnierverbot im Mittelalter in Das ritterliche Turnier im Mittelalter HG. Josef Fleckenstein Vandenhoek und Ruprecht Göttingen, 1985 S. 401 - 424.

4. Anmerkung: Siehe hierzu beispielsweise:
Fink, Humbert: Ich bin der Herr der Welt
Friedrich der Staufer. Eine Biographie Paul List Verlag München, 1986 S. 94 - 135
Horst, Eberhard: Friedrich II. , der Staufer. Biographie Wilhelm Heyne Verlag 1989 S. 131 - 137

5. Anmerkung: Auskunft hierüber erhält man in einer Dauerausstellung zum Sachsenspiegel auf der Burg Falkenstein im Selketal

Zur »Bannfrage« allgemein: Gurjewitsch, Aaron Jakolewitsch: Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen. Verlag C. H. Beck, München, 1989. S. 339 - 340

6. Anmerkung: Das Schriftgut mit Thesen und Theorien zur Vermischung von heidnischen Kulturmerkmalen (also auch kultischen und religiösen Inhalten) ist reichhaltig.
Hier sei nur auf Gurjewitsch, aaron J.: Mittelalterliche Volkskultur verwiesen.
C.H. Beck. München 1987

7. Kupisch, Karl: Kirchengeschichte Band II. Das christliche Europa. Größe und Verfall des Sacrum Imperium. Verlag W. Kohlhammer. Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1984. S. 86

8. Der Sachsenspiegel in Bildern aus der Heidelberger Handschrift. Ausgewählt und erläutert von Walther Koschorrek. Insel Verlag. Frankfurt a.M. 1974. S. 50, 54, 56.

9. Le Goff, Jaques (Hg): Fischer Weltgeschichte Band II. Das Hochmittelalter. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1965. S. 90 - 91

10. Anmerkung: Laut Bumke, Joachim: Höfische Kultur Band 2; S. 695
Unter Bezug auf den Bayrischen Landfrieden, von 1244, gelten auch fahrende Kleriker als friedlos, ebenso wie die Laien - Spielleute; d.h., sie standen unter keinem juristischen Schutz, wurden mit allen anderen fahrenden Gruppen gleichgesetzt.
Nach Bernt, Günther: Die Kleriker und Vaganten - in der Carmina Burana. Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Zweisprachige Ausgabe. dtv, München 1991. S. 855 - 856
Ist bei den in den Carmina Burana als Clerici bezeichneten Fahrenden von der Existenz zweier Gruppen auszugehen. Zum einen Litterati, die sich die Grundlagen der damaligen lateinischen Bildung, und sich etwas von den »höheren Wissenschaften« angeeignet haben, oder dabei sind, es zu tun, d.h., die Akademiker und die Studenten. Vielfach besaßen sie die niederen Weihen, aber nicht einmal das war unbedingt notwendig, um Kleriker zu sein. Es genügte, wenn ein Bischof Tonsur und Habit verlieh.

Die andere Gruppe wird von den »echten« Vaganten - bzw. Goliarden - gestellt, einen Personenkreis, der, zur obigen Gruppe gehörend - aus welchen Gründen auch immer, im »fahrenden Stand« verharrte, und dessen, »....Absinken zu einer Gesellschaft von schlechtem Ruf ... unvermeidlich« war.
(Übrigens gehören nach Bernt die Verfasser der Carmina Burana zum größten Teil in die erste Kategorie, aber das ist an dieser Stelle nebensächlich).

11. Anmerkung: Hierzu gehören Kooperationen mit deutschen Bischöfen, Schenkungen an diese und an zahlreiche Klöster; Auch die ritterlich - höfische Tugend der »Freigebigkeit« hat christliche Wurzeln.
Siehe hierzu: Bumke, Joachim - Höfische Kultur. S. 314, 369, 386, 334, 481, 715.
12. Anmerkung: Als prägnantes Beispiel sei hier Elisabeth von Thüringen genannt, die nahezu unmittelbar nach ihrem Tode im Jahre 1231, nämlich bereits 1235 heiliggesprochen wurde.
Siehe hierzu: Bentzien, Hans: Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Verlag Neues Leben GmbH, Berlin 1990 S.315.
Pernoud, Regine: Die Heiligen im Mittelalter. Frauen und Männer, die ein Jahrtausend prägten. Gustav Lübbe Verlag. Bergisch Gladbach, 1988. S. 142, 145, 270, 283, 325, 334.

Ein weiteres Beispiel ist in der - dem Hochadel entstammenden Benediktiner - Äbtissin Hedwig von Andechs - Meranien zu sehen. Sie wurde bereits vor ihrem Tod, 1243, als »Heilige« betrachtet. Der Heiligsprechungsprozeß begann unmittelbar nach ihrem Ableben und wurde durch die päpstliche Kanonisation schon 1267 beendet.
Siehe hierzu: Fritzen, Hedwig: Hedwig, 1174 - 1243. , in Mair, Hans Hg: Sie herrschten und sie dienten. Heilige als Träger der Macht. Mathias Grünewald Verlag, Mainz 1982. S. 93 - 99.
Oder: Herbers, Klaus: Die deutschen Heiligen im Mittelalter, in: Pernoud, Regine: Die Heiligen im Mittelalter. S. 334 - 335.

Groß ist die Zahl der »Heiligen«, die nie kanonisiert wurden, aber vor allem vom Volk - und Teilen der Kirche, als Heilige verehrt worden sind, wie z.B. Gottfried von Cappenberg.
Siehe hierzu u.a. Hinkel, Helmut: Die Diözesan - Heilige im deutschsprachigen Raum. M. Grünewald Verlag, Mainz, 1987. S. 30 und 80
13. Anmerkung: Unter »Investiturstreit« wird die langjährige, massive Auseinandersetzung um das Einsetzungsrecht der Bischöfe verstanden, der insbesondere im Streit zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. kulminierte.
Siehe hierzu u.a.: Fuhrmann, Horst: Deutsche Geschichte im Hochmittelalter. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 1983. S. 47, 96, 102, 106 u.a.
Oder: Frank, Isnard Wilhelm: Ki

Charch schrieb am 31.8. 2000 um 19:14:48 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 6 Punkt(e)

Die höfische Liebe

Hinsichtlich dessen was »höfische Liebe« ist herrscht unter den Wissenschaftlern Uneinigkeit. So kann es nicht darum gehen eine endgültige Beurteilung zu manifestieren, sondern die einzelnen Aspekte der »Minne« zu analysieren und diskutieren, vorbehaltlich weiterer Untersuchungen zu diesem Thema.

Es sieht so aus, daß eine Vielzahl von Faktoren am Entstehen des »höfischen« Liebeskonzepts beteiligt war, wie z.B. die konzeptionellen Vorstufen bzw. Grundlagen (Augustin, Neuplatinismus, Mystik), die literarischen Traditionen, auf denen der Minnesang aufbaute (z.B. Ovid, mittellateinische Briefkultur, Liturgie, Panegyrik) sowie sozial-, bildungs-, kirchengeschichtliche Veränderungen und sozialpsychologische Strukturen im 11. u. 12. Jh.. Die Vielfalt der recht unterschiedlichen Merkmale »höfischer Liebe« weisen auf den entscheidenden Aspekt hin, daß man es mit keiner festumrissenen Liebestheorie zu tun hat, sondern mit einer »höfischen« Diskussion über höfisches Liebesverhalten. Diese Diskussion umspannt einen weiten, teilweise konträren Themenkreis, u.a. sittliche Vervollkommnung durch die Liebe, ehebrecherische Liebe, hartherzige Minnedame, Allmacht des Gottes Amor, erfüllte Liebe, völlige Unterwerfung unter den Willen der umworbenen Dame, Fernliebe, ritterliche Abenteuer im Dienste einer Dame, Liebe in Troubadourliedern, Liebe bei verschiedenen Schriftstellern / Dichtern, doch in der Zielsetzung, auf ein vorbildhaftes Verhalten hinzuweisen, stimmen die unterschiedlichen Perspektiven der meisten Dichter überein. Jedes Lied, jeder Roman hat teil an dem Diskurs der »höfischen« Gesellschaft über das Ideal rechten Liebens und muß als Teil einer auf eine kleine Elite beschränkten Diskussion gesehen werden, welche im 12. Jh. noch ständig im Fluß ist, die stets neue Korrekturen an dem erreichten Diskussionsstand vornimmt, die in spielerisch - witziger Weise und zuweilen in lehrhafter Manier die Frage umkreist: Wie ist die wahre Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts zu bestimmen?

Vor dem 13. Jh. sind präzise und umfassende Liebesdefinitionen in der Volkssprache nicht greifbar. Deshalb tut sich die Forschung schwer, die »höfische Liebe« und ihre Position gegenüber anderen mittelalterlichen Liebeskonzeptionen zu bestimmen. Im folgenden sollen einige grundlegende Merkmale »höfischer Liebe« vorgestellt werden, was nicht heißt, daß alle oder nur diese Elemente in einer » höfischen Liebesdichtung« in Erscheinung treten, doch finden diese sich in der Trobadorlyrik, im deutschen Minnesang, in den nordfranzösischen Artusromanen und Erzählungen sowie in provenzialischen Minnetraktaten. Bei diesen Merkmalen, die die ideale Liebe in volkssprachlichen Dichtungen des 12. u. 13. Jhs. kennzeichnen, handelt es sich um Zielvorstellungen deren »Weltfremdheit« die Minnesänger selbst immer wieder eingestehen müssen, auch wenn sie dieses anvisierte ideale Liebesverhalten zuweilen schon als von ihnen verwirklicht ausgeben.

1. Zielvorstellungen

Trobadors wie Minnesänger vertreten immer wieder die Auffassung, die wahre Liebe zu einer Dame lasse keine Liebesbeziehung zu einer weiteren Frau zu, eine Forderung, die umgekehrt auch für die Frau gilt. Unbeirrt hält die wahre, rechte Liebe an einem einzigen Partner fest, gleichgültig ob es sich um den eigenen Ehepartner oder um eine außereheliche Beziehung handelt.

Einer vorbildhaften Liebesbeziehung wird Dauerhaftigkeit (staete) als Wert zuerkannt. Dieser einhellig von Minnesang und Roman vertretenen Auffassung eines Idealbildes rechten Liebens stehen die Klagen über unstete, wechselnde und mehrfache Liebes- und Ehebeziehungen in den historischen mittelalterlichen Quellen gegenüber.

Liebende Hinwendung zu einem Menschen setzt voraus, daß es dieser mit seiner (erwidernden) Liebe ernst meint und nicht Liebe vortäuscht, in der Wirklichkeit aber nur schnellen Liebesgenuß sucht und somit den Partner als Objekt mißbraucht. Die Lauterkeit der Liebe bildet einen unverzichtbaren Bestandteil »höfischer« Liebe. Verlaß ist allein auf das treue, reine Herz und die inneren Vorzüge eines Menschen. Die Kontrastierung von »Innen« und »Außen« prägt den »höfischen« Diskurs entscheidend; Liebe wird ganz ´von innen´ her definiert.

In der »höfischen« Liebe sieht sich der Mann sich selbst gegenübergestellt und reflektiert über den Wert, der im liebenden Dienen selbst schon bereitliegt. Der »höfische« Diskurs versucht zwischen den beiden Extrempositionen - rein sexuelle Genußliebe / Verzichtliebe - zu vermitteln, immer wieder den Zwiespalt zwischen begehrendem Verlangen nach sexuelle Erfüllung sowie der Selbstkontrolle durch Verstand und neue sittliche Ideale zu thematisieren. In der Diskussion dieses Zwiespalts konnte ein neues Bewußtsein angeregt werden. Nach Rüdiger Schnell ist genau in diesem Weder - Noch der konzeptionelle Kern der »höfischen« Liebe zu fassen. Dieser jahrzehntelang anhaltende Diskurs über die rechte, wahre Liebe ist als ein bedeutsamer zivilisatorischer Vorgang zu werten. »Höfische« Liebe ist nicht Verzichtliebe, sondern geglückter Einklang zwischen egozentrischem, physisch - sinnlichem Begehren und selbstloser, nur am Wohl des Partners sich orientierende Liebe. Erst der Wille zur Harmonisierung der beiden Extrempositionen macht den »höfischen« Liebhaber aus. (S. 252/3)


Der Diskurscharakter der »höfischen« Liebe zeigt sich gerade daran, daß neben dem zuweilen verkündeten Ideal der Verzichtliebe sehr wohl die Forderung nach Gegenseitigkeit in der Liebe stehen kann, sogar in ein und demselben Lied. Einseitiges Liebeswerben und glückliche, erfüllte Liebe sind als zwei Perspektiven desselben Liebeskonzeptes zu betrachten.

»Höfische« Liebe ist aus freier Entscheidung geschenkte Liebe. Die Freiwilligkeit als wesentlichem Element des Sittlichen wurde seit Aristoteles bis ins Mittelalter hinein stetige Wert- schätzung zuteil. Gerade auch in kirchlich-religiösen Schriften erlangt die Freiwilligkeit einer Handlung, einer Beziehung oder einer Lebensweise entscheidende Bedeutung für deren Bewertung. Doch scheint es eine institutionalisierte Form sexueller Beziehung zu geben, die, von der Kirche sanktioniert, der »höfischen« Liebesauffassung zutiefst widersprechen scheint: die Ehe. Die cortly love Forschung wird nicht müde auf diesen Gegensatz von »höfischer« freiwilliger Liebe und kirchlich verordneter ehelicher Pflicht hinzuweisen. Dabei kann sie sich auf lateinische und volkssprachliche Quellen berufen, die die aus freien Willen geschenkte Liebe über die dem Ehepartner geschuldete sexuelle Hingabe stellen (u.a. Streitgedichte, Heloise, Andreas Capellanus, Richard von Fournival) Chretien de Troyes hat aber in seinen Romanen »Erec et Enide«, »Yvain«, »Cliges« und »Perceval« eine Verschmelzung von frei sich schenkender Liebe und eheliche Beziehung angestrebt. Als Enide, Erecs Gattin, von einem Grafen gefragt wird, ob sie die Frau oder Freundin ihres Begleiters sei, antwortet sie: »BeidesGeliebte und Gattin bilden hier keinen Gegensatz mehr.

»Höfisches« Lieben ist nicht denkbar ohne Maß, Mäßigung (mezura = feine, kultivierte Rede), vernunftbestimmtes Verhalten, Mäßigung der Affekte. In diesem Punkt scheinen »höfische« Liebe und christliche Morallehre übereinzustimmen: beide zielen auf Mäßigung, Zügelung, Beherrschung des Sexuellen zugunsten eines von der ratio bestimmten Verhaltens. Es gibt innerhalb der Trobadorlyrik durchaus unterschiedliche Äußerungen zum Verhältnis von Liebe und Vernunft. Während etwa Marcabru für eine Kontrolle der Liebe durch Vernunft eintritt, verkündet Bernhard von Ventadorn, das Vernunft in der Liebe nichts zu schaffen habe, er preist die Liebe als alles beherrschende Macht, die sogar den Verstand raubt, eine Auffassung die auch Troveres, deutsche Minnesänger und Romanautoren vertreten. Wenn in diesen Textbeispielen Maß und Vernunft als unvereinbar mit Liebe gelten, kann tatsächlich der Eindruck entstehen, daß die "höfische Liebe der von Moraltheologen verurteilten sinnlichen Leidenschaft entspricht, denn als wesentliches Kriterium sexueller Begierde nennen die kirchlichen Autoren immer wieder Maßlosigkeit und den Verlust der Vernunft (moraltheologische Verurteilung sexueller Liebe als eine Fesselung des Geistes durch den Körper). So verwundert es, daß einige Minnesänger gerade den Aspekt der Unvernunft und Torheit ihrer Liebe unablässig thematisieren.

Nach moraltheologischer Auffassung kommt die Gefangenschaft des Liebenden dadurch zustande, daß der Verstand unter der Herrschaft des Fleisches gerät (ausschließliche Ausrichtung des Menschen auf die Befriedigung des Sexualtriebes). Die von Trobadors und Troveres besungene »Gefangenschaft« der Liebenden meint dagegen etwas völlig anderes: der Liebende - von der Macht Amors gezwungen - richtet sein Liebesbegehren dorthin wo Leid und Schmerz ihn erwarten, wo der Lohn nur ein Blick und die Gesprächsbereitschaft der Dame winken. Offensichtlich ist die in den Trobadorliedern besungene Liebe mit anderen Maßstäben zu messen als mit denen des »normalen« Menschenverstandes, demnach es »vernünftig wäre Liebesgenuß anzustreben anstelle einer entbehrungsreichen Liebesbeziehung. Der Außenwelt erscheint der «höfisch» Liebende wegen seiner Ausrichtung des Werbens, nämlich dort zu lieben, wo keine Gegenliebe zu finden ist, als Tor. Die in den Trobadorliedern verkündete Gefangenschaft durch Amors befähigt den Liebenden zur Niederwerfung «niederer» sinnlicher Triebe, verhilft ihn zum Sieg über die bloß «fleischliche" Liebe.

Die von kirchlicher Seite verurteilte Gefangenschaft der ratio durch den sensualitas wird bei den Trobadors umgeformt zur positiv verstandenen Unterwerfung des wahrhaft Liebenden unter die Macht Amors. Obwohl also Moraltheologen wie Trobadors und Troveres von Gefangen-schaft und Knechtschaft des Verstandes in der sinnlichen Liebe sprechen, meinen beide Seiten etwas völlig Verschiedenes. Dies rührt daher, daß die Minnesänger eine andere Liebeskonzeption und eine andere Auffassung von der Frau (sie ist nicht Verführung zur »fleischlichen« Sünde) besitzen. Somit lassen sich scheinbar konträre Äußerungen (B. von Ventadorn: »in der Liebe hat Vernunft keinen Platz«, Marcabru, Piere d´Auvergne: »in der Liebe muß Maß und Vernunft herrschen«) unter einen gemeinsamen Nenner bringen. Bernhards Liebesideal meint eben nicht das von Marcabru kritisierte unkontrollierte sexuelle Verhalten sich in tierisch - triebhafter Manier seinen Begierden hinzugeben und Maß sowie Vernunft vermissen zu lassen.

Liebe, die kaum mit baldiger Erfüllung des sexuellen Verlangens rechnen darf, erfordert Leidensbereitschaft und Leidensfähigkeit. Immer wieder hören wir die Klagen der Minnesänger, daß es fast übermenschlicher Anstrengungen bedarf, in ihrer sittlich hochstehenden Liebesbeziehung auszuharren. Auch die »höfischen« Romane bieten zahlreiche Beispiele dafür, wie schwer es fällt, den genannten Forderungen zu entsprechen. So stehen sich in der »höfischen« Dichtung Ideal und Wirklichkeit, Soll und Sein, ständig gegenüber. In den zahlreichen und tiefgreifenden Widersprüchen der »höfischen« Liebe auf verschiedenen Ebenen --- im Liebenden selbst, im Verhältnis des Liebenden zur Dame, im Verhältnis der Liebenden zur »höfischen« Gesellschaft --- tritt ihr Wesen deutlich zutage, es ist ein literarisch geführter Diskurs über Voraussetzungen und Ziele wahrer erotischer Liebe. Dieser Diskurs konnte nicht widerspruchsfrei geführt werden, denn der Diskussionsgegenstand selbst, die Liebe, läßt sich nicht in ein festes Schema pressen, und das Ideal der »höfischen« Liebe widersprach in entscheidenden Punkten der gesellschaftlichen Moral. In dem Ringen unterschiedlicher Standpunkte zeigt sich die Tendenz, gegenüber herkömmlichen Verhaltensweisen (schneller Liebesgenuß, Vergewaltigung, Täuschung, rasch wechselnde Liebesbeziehungen etc.) neue Leitbilder zu entwickeln. Nicht das Ideal der »höfischen« Liebe als unerreichte Form wahren Liebens, sondern die literarische Diskussion über die rechte Liebe besaß wohl entscheidende zivilisatorische Bedeutung. Der unfassende Diskurs ist im 12. u. 13. Jh. noch lange nicht an ein Ende gekommen.


2. Widersprüche

Seit dem 12. Jh. war weithin die Auffassung verbreitet, daß einem Menschen nur das als Verdienst oder Verfehlung angerechnet werden könne, was er in freier Entscheidung und freiwillig tue. Zahlreiche Trobadors halten sich viel darauf zugute, daß sie lieber in der wenig aussichtsreichen Liebe zu einer abweisenden, aber vortrefflichen Dame verharren wollen als bei einer anderen, aber nicht so volkommenen Frau sexuelle Freuden zu genießen. Wo aber bleibt der moralische Verdienst, wenn das lyrische Ich von einer überpersönlichen Macht (Amors) zu unbelohntem Liebesdienst gezwungen wird? Wenn mit Amors eine fremde Macht gemeint ist, läßt sich das Festhalten an einer wenig aussichtsreichen Liebesbeziehung kaum als sittlicher Verdienst werten. Verbirgt sich hinter Amors eine Kraft im Menschen selbst, die ihn gegen sein triebhaftes Verlangen nach sexueller Befriedigung in einer wenig Erfolg versprechenden Liebesbindung ausharren läßt, wäre dagegen zu folgern, daß sich das lyrische Ich gegen diese Kraft wehrt, also »höfische« Liebe eine Liebe gegen den Willen wäre. In diesem unaufgelösten Widerspruch spiegelt sich etwas von der Spannung, die den »höfischen« Diskurs insgesamt im 12. Jh. begleitet: eine »weltfremde« Haltung als Ideal begründen zu wollen.

Rascher Liebesgenuß / langes Dienen ist ein Gegensatzpaar dem man in der »höfischen« Dichtung häufig begegnet. »Höfische« Liebe meint weder das extrem asketische Liebesverhalten noch das auf schnellen Liebesgenuß ausgerichtete Taktieren, sondern existiert in dem Widerstreit von Verlangen und Entsagen, der hauptsächlicher Gegenstand des »höfischen« Diskurses über die Liebe ist.



Eine bekannte Grundauffassung »höfischer« Liebe besagt, daß der Mensch durch die Liebe sittlich gebessert werde und die Liebe wird als Quelle alles Guten gepriesen. Andererseits hat in der Literatur häufig den Anschein, daß nur die bereits vortrefflichen Menschen von der sittlichen Macht der Liebe profitieren (z.B. in den Frauenstrophen des Minnesangs).

Zwei unvereinbare Positionen stehen sich bei der immer wieder erhobenen Forderung nach Belohnung des Frauendienstes gegenüber: einerseits wird die Frau gepriesen, die den Minnedienst lohnt, ja ihr wird größere ere in Aussicht gestellt, andererseits erleidet die Frau, die den langen Dienst ihres Verehrers belohnt, einen großen Verlust ihres gesellschaftlichen Ansehens. So manche Frauenstrophe und einige erzählende Dichtungen künden von dem Konflikt zwischen Minnetheorie» und «Minnepraxis", in dem sich eine umworbene Dame gestürzt sieht (Kollision mit kirchlichen und adlig-feudalen Normen).

Die Idealforderungen nach Beständigkeit und Ausschließlichkeit einer Liebesbeziehung schränkten den Spielraum einer Dame noch weiter ein. Je mehr Regeln der »höfische« Diskurs hervorbrachte, desto engere Grenzen waren der Freiheit der Liebe gesetzt.

In den Zielvorstellungen der »höfischen« Liebe waren Ideale avisiert, die mit den Normen der Adelswelt nicht in Einklang zu bringen waren. Diese Widersprüche spiegeln Ausein-
andersetzung zwischen dem Streben nach individuellen Glück und der Respektierung gesellschaftlicher Normen wider. So stehen wir vor dem Paradoxon, daß die »höfische« Gesellschaft eine literarische Utopie förderte, die ihren praktizierten Wertvorstellungen z.T. erheblich widersprach.

Unverkennbar ist das Bestreben, die Liebe in die Gesellschaft zu integrieren, zu einem Teil des »höfischen« Lebens zu machen. Wer »höfisch« ist, zeichnet sich aus durch gesellschaftliche Anerkennung, persönlichen Wert, persönliche Tüchtigkeit, Maß, Verstand, Wissen, Bildung / Kultiviertheit, Demut, Gehorsam; diese Qualitäten zeichnen zugleich den wahren Verehrer einer Dame aus. So verwundert die in der »höfischen« Dichtung ständig wiederholte Forderung nach Geheimhaltung der Liebe. Liebe gilt als höchster gesellschaftlicher Wert und muß doch verschwiegen werden, weil sie, an die Öffentlichkeit gelangt, in ihrer Existenz gefährdet wäre. Möglicherweise bedingen unterschiedliche historische Entwicklungen, die im 12. u. 13. Jh. noch zu keinem Ausgleich gefunden haben, diesen Widerspruch.

Das Ideal der urbanitas, curialitas, hövescheit setzt sich seit dem 10. Jh. mehr und mehr an den Bischofshöfen, dann an den weltlichen Fürstenhöfen durch. Seit dem 11. Jh. gilt der Liebe erhöhtes literarisches Interesse. Im 12. Jh. beeinflußt Ovids Liebesdichtung in hohem Maße die Darstellung der Liebe in der volkssprachlichen und lateinischen Dichtung. Klerikale Verdächtigung der sexuellen Liebe hält dagegen Liebe als bedrohende Macht stets im Bewußtsein (vgl. den Artusroman).


3. Innennormen und »höfische« Gesellschaft

»Höfische« Liebe ist eine Liebe des Herzens, die keiner weiteren Legitimation für eine sexuelle Vereinigung bedarf. Die »höfische« Dichtung bestimmt den Wert eines Menschen mehr und mehr von seinen inneren Vorzügen her: liebende Zuneigung soll aufbauen und triuwe, staetekeit, tugenden, güete, nicht (nur) auf Schönheit, Reichtum oder adliger Herkunft. WahreLiebe zeichnet sich gerade dadurch aus, daß sie vor allem Äußeren, von Besitz, Herkunft und Status absieht: dies deutlich zu machen, darin liegt nach Rüdiger Schnells Auffassung die eigentliche Aufgabe der Reichtum / Liebe - Diskussion innerhalb der Trobadorlyrik.

Die Frage stellt sich, ob die Liebe ganz ihren eigenen Gesetzen und Wünschen leben darf, legitimiert durch die vorzüglichen Eigenschaften und lauteren Absichten der Liebenden, oder ob ihr nicht dort Einhalt zu gebieten war, wo sie mit Außennormen (moralisch und rechtlich geschützten Institutionen: Ehe, Vasallenpflicht, Verbot von Betrug, Ehe zwischen Standesgenossen u.a.) kollidierte.

Berühmtestes Beispiel aus der mittelalterlichen Literatur für diesen Konflikt der Liebe (Innennormen verpflichten) und Außennormen der Gesellschaft ist neben Chretiens »Lancelot« Gottfrieds von Straßburg »Tristan und Isolde«.


Die »höfische« Liebesdichtung sieht sich mit einem grundsätzlichen Dilemma konfrontiert: der »höfische Diskurs entwirft einerseits ein Ideal rechten Liebens, das ganz von Innennormen her bestimmt wird (Beständigkeit, Aufrichtigkeit, Freiwilligkeit, Gegenseitigkeit, Selbstlosigkeit, Leidensfähigkeit), andererseits kann sich die «höfische» Liebesdichtung der ganz andere Wertwelt, des Adels und der Kirche mit ihren eigenen Normen des Handelns (z,B. Ehepartner nur unter Standesgenossen zu auszusuchen) nicht entziehen, was eine konsequente Verwirklichung der «höfischen» Liebe ausschließt. Verständlicherweise tut sich hier eine tiefe Kluft auf zwischen dem neuen revolutionären Ideal einer nur sich selbst gehorchenden Liebe und den Erfahrungs - und Verhaltensnormen des feudalen Alltags. Die Adelsgesellschaft war in ihren Wertvorstellungen sehr stark den Außennormen verpflichtet (Besitz, Herkunft, gesellschaftliche Position, Rangordnung, Sitzordnung, höfisches Zeremoniell u. a.), während die «höfische" Liebe allein nach der inneren Einstellung des Partners fragt, nach dem Innennormen menschlichen Verhaltens.

In der Frage, ob es die »höfische« Liebe als gesellschaftliche Praxis gegeben hat, zeichnet sich zunehmend die Meinung ab, daß der höfische Frauendienst keine gesellschaftliche Realität war; die »höfische« Liebe existierte nur in der Literatur und bildete nur insofern einen Teil der gesellschaftlichen Realität, indem die »höfische« Liebesdichtung vorgetragen wurde.












Die höfische Liebe

Hinsichtlich dessen was »höfische Liebe« ist herrscht unter den Wissenschaftlern Uneinigkeit. So kann es nicht darum gehen eine endgültige Beurteilung zu manifestieren, sondern die einzelnen Aspekte der »Minne« zu analysieren und diskutieren, vorbehaltlich weiterer Untersuchungen zu diesem Thema.

Es sieht so aus, daß eine Vielzahl von Faktoren am Entstehen des »höfischen« Liebeskonzepts beteiligt war, wie z.B. die konzeptionellen Vorstufen bzw. Grundlagen (Augustin, Neuplatinismus, Mystik), die literarischen Traditionen, auf denen der Minnesang aufbaute (z.B. Ovid, mittellateinische Briefkultur, Liturgie, Panegyrik) sowie sozial-, bildungs-, kirchengeschichtliche Veränderungen und sozialpsychologische Strukturen im 11. u. 12. Jh.. Die Vielfalt der recht unterschiedlichen Merkmale »höfischer Liebe« weisen auf den entscheidenden Aspekt hin, daß man es mit keiner festumrissenen Liebestheorie zu tun hat, sondern mit einer »höfischen« Diskussion über höfisches Liebesverhalten. Diese Diskussion umspannt einen weiten, teilweise konträren Themenkreis, u.a. sittliche Vervollkommnung durch die Liebe, ehebrecherische Liebe, hartherzige Minnedame, Allmacht des Gottes Amor, erfüllte Liebe, völlige Unterwerfung unter den Willen der umworbenen Dame, Fernliebe, ritterliche Abenteuer im Dienste einer Dame, Liebe in Troubadourliedern, Liebe bei verschiedenen Schriftstellern / Dichtern, doch in der Zielsetzung, auf ein vorbildhaftes Verhalten hinzuweisen, stimmen die unterschiedlichen Perspektiven der meisten Dichter überein. Jedes Lied, jeder Roman hat teil an dem Diskurs der »höfischen« Gesellschaft über das Ideal rechten Liebens und muß als Teil einer auf eine kleine Elite beschränkten Diskussion gesehen werden, welche im 12. Jh. noch ständig im Fluß ist, die stets neue Korrekturen an dem erreichten Diskussionsstand vornimmt, die in spielerisch - witziger Weise und zuweilen in lehrhafter Manier die Frage umkreist: Wie ist die wahre Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts zu bestimmen?

Vor dem 13. Jh. sind präzise und umfassende Liebesdefinitionen in der Volkssprache nicht greifbar. Deshalb tut sich die Forschung schwer, die »höfische Liebe« und ihre Position gegenüber anderen mittelalterlichen Liebeskonzeptionen zu bestimmen. Im folgenden sollen einige grundlegende Merkmale »höfischer Liebe« vorgestellt werden, was nicht heißt, daß alle oder nur diese Elemente in einer » höfischen Liebesdichtung« in Erscheinung treten, doch finden diese sich in der Trobadorlyrik, im deutschen Minnesang, in den nordfranzösischen Artusromanen und Erzählungen sowie in provenzialischen Minnetraktaten. Bei diesen Merkmalen, die die ideale Liebe in volkssprachlichen Dichtungen des 12. u. 13. Jhs. kennzeichnen, handelt es sich um Zielvorstellungen deren »Weltfremdheit« die Minnesänger selbst immer wieder eingestehen müssen, auch wenn sie dieses anvisierte ideale Liebesverhalten zuweilen schon als von ihnen verwirklicht ausgeben.

1. Zielvorstellungen

Trobadors wie Minnesänger vertreten immer wieder die Auffassung, die wahre Liebe zu einer Dame lasse keine Liebesbeziehung zu einer weiteren Frau zu, eine Forderung, die umgekehrt auch für die Frau gilt. Unbeirrt hält die wahre, rechte Liebe an einem einzigen Partner fest, gleichgültig ob es sich um den eigenen Ehepartner oder um eine außereheliche Beziehung handelt.

Einer vorbildhaften Liebesbeziehung wird Dauerhaftigkeit (staete) als Wert zuerkannt. Dieser einhellig von Minnesang und Roman vertretenen Auffassung eines Idealbildes rechten Liebens stehen die Klagen über unstete, wechselnde und mehrfache Liebes- und Ehebeziehungen in den historischen mittelalterlichen Quellen gegenüber.

Liebende Hinwendung zu einem Menschen setzt voraus, daß es dieser mit seiner (erwidernden) Liebe ernst meint und nicht Liebe vortäuscht, in der Wirklichkeit aber nur schnellen Liebesgenuß sucht und somit den Partner als Objekt mißbraucht. Die Lauterkeit der Liebe bildet einen unverzichtbaren Bestandteil »höfischer« Liebe. Verlaß ist allein auf das treue, reine Herz und die inneren Vorzüge eines Menschen. Die Kontrastierung von »Innen« und »Außen« prägt den »höfischen« Diskurs entscheidend; Liebe wird ganz ´von innen´ her definiert.

In der »höfischen« Liebe sieht sich der Mann sich selbst gegenübergestellt und reflektiert über den Wert, der im liebenden Dienen selbst schon bereitliegt. Der »höfische« Diskurs versucht zwischen den beiden Extrempositionen - rein sexuelle Genußliebe / Verzichtliebe - zu vermitteln, immer wieder den Zwiespalt zwischen begehrendem Verlangen nach sexuelle Erfüllung sowie der Selbstkontrolle durch Verstand und neue sittliche Ideale zu thematisieren. In der Diskussion dieses Zwiespalts konnte ein neues Bewußtsein angeregt werden. Nach Rüdiger Schnell ist genau in diesem Weder - Noch der konzeptionelle Kern der »höfischen« Liebe zu fassen. Dieser jahrzehntelang anhaltende Diskurs über die rechte, wahre Liebe ist als ein bedeutsamer zivilisatorischer Vorgang zu werten. »Höfische« Liebe ist nicht Verzichtliebe, sondern geglückter Einklang zwischen egozentrischem, physisch - sinnlichem Begehren und selbstloser, nur am Wohl des Partners sich orientierende Liebe. Erst der Wille zur Harmonisierung der beiden Extrempositionen macht den »höfischen« Liebhaber aus. (S. 252/3)


Der Diskurscharakter der »höfischen« Liebe zeigt sich gerade daran, daß neben dem zuweilen verkündeten Ideal der Verzichtliebe sehr wohl die Forderung nach Gegenseitigkeit in der Liebe stehen kann, sogar in ein und demselben Lied. Einseitiges Liebeswerben und glückliche, erfüllte Liebe sind als zwei Perspektiven desselben Liebeskonzeptes zu betrachten.

»Höfische« Liebe ist aus freier Entscheidung geschenkte Liebe. Die Freiwilligkeit als wesentlichem Element des Sittlichen wurde seit Aristoteles bis ins Mittelalter hinein stetige Wert- schätzung zuteil. Gerade auch in kirchlich-religiösen Schriften erlangt die Freiwilligkeit einer Handlung, einer Beziehung oder einer Lebensweise entscheidende Bedeutung für deren Bewertung. Doch scheint es eine institutionalisierte Form sexueller Beziehung zu geben, die, von der Kirche sanktioniert, der »höfischen« Liebesauffassung zutiefst widersprechen scheint: die Ehe. Die cortly love Forschung wird nicht müde auf diesen Gegensatz von »höfischer« freiwilliger Liebe und kirchlich verordneter ehelicher Pflicht hinzuweisen. Dabei kann sie sich auf lateinische und volkssprachliche Quellen berufen, die die aus freien Willen geschenkte Liebe über die dem Ehepartner geschuldete sexuelle Hingabe stellen (u.a. Streitgedichte, Heloise, Andreas Capellanus, Richard von Fournival) Chretien de Troyes hat aber in seinen Romanen »Erec et Enide«, »Yvain«, »Cliges« und »Perceval« eine Verschmelzung von frei sich schenkender Liebe und eheliche Beziehung angestrebt. Als Enide, Erecs Gattin, von einem Grafen gefragt wird, ob sie die Frau oder Freundin ihres Begleiters sei, antwortet sie: »BeidesGeliebte und Gattin bilden hier keinen Gegensatz mehr.

»Höfisches« Lieben ist nicht denkbar ohne Maß, Mäßigung (mezura = feine, kultivierte Rede), vernunftbestimmtes Verhalten, Mäßigung der Affekte. In diesem Punkt scheinen »höfische« Liebe und christliche Morallehre übereinzustimmen: beide zielen auf Mäßigung, Zügelung, Beherrschung des Sexuellen zugunsten eines von der ratio bestimmten Verhaltens. Es gibt innerhalb der Trobadorlyrik durchaus unterschiedliche Äußerungen zum Verhältnis von Liebe und Vernunft. Während etwa Marcabru für eine Kontrolle der Liebe durch Vernunft eintritt, verkündet Bernhard von Ventadorn, das Vernunft in der Liebe nichts zu schaffen habe, er preist die Liebe als alles beherrschende Macht, die sogar den Verstand raubt, eine Auffassung die auch Troveres, deutsche Minnesänger und Romanautoren vertreten. Wenn in diesen Textbeispielen Maß und Vernunft als unvereinbar mit Liebe gelten, kann tatsächlich der Eindruck entstehen, daß die "höfische Liebe der von Moraltheologen verurteilten sinnlichen Leidenschaft entspricht, denn als wesentliches Kriterium sexueller Begierde nennen die kirchlichen Autoren immer wieder Maßlosigkeit und den Verlust der Vernunft (moraltheologische Verurteilung sexueller Liebe als eine Fesselung des Geistes durch den Körper). So verwundert es, daß einige Minnesänger gerade den Aspekt der Unvernunft und Torheit ihrer Liebe unablässig thematisieren.

Nach moraltheologischer Auffassung kommt die Gefangenschaft des Liebenden dadurch zustande, daß der Verstand unter der Herrschaft des Fleisches gerät (ausschließliche Ausrichtung des Menschen auf die Befriedigung des Sexualtriebes). Die von Trobadors und Troveres besungene »Gefangenschaft« der Liebenden meint dagegen etwas völlig anderes: der Liebende - von der Macht Amors gezwungen - richtet sein Liebesbegehren dorthin wo Leid und Schmerz ihn erwarten, wo der Lohn nur ein Blick und die Gesprächsbereitschaft der Dame winken. Offensichtlich ist die in den Trobadorliedern besungene Liebe mit anderen Maßstäben zu messen als mit denen des »normalen« Menschenverstandes, demnach es »vernünftig wäre Liebesgenuß anzustreben anstelle einer entbehrungsreichen Liebesbeziehung. Der Außenwelt erscheint der «höfisch» Liebende wegen seiner Ausrichtung des Werbens, nämlich dort zu lieben, wo keine Gegenliebe zu finden ist, als Tor. Die in den Trobadorliedern verkündete Gefangenschaft durch Amors befähigt den Liebenden zur Niederwerfung «niederer» sinnlicher Triebe, verhilft ihn zum Sieg über die bloß «fleischliche" Liebe.

Die von kirchlicher Seite verurteilte Gefangenschaft der ratio durch den sensualitas wird bei den Trobadors umgeformt zur positiv verstandenen Unterwerfung des wahrhaft Liebenden unter die Macht Amors. Obwohl also Moraltheologen wie Trobadors und Troveres von Gefangen-schaft und Knechtschaft des Verstandes in der sinnlichen Liebe sprechen, meinen beide Seiten etwas völlig Verschiedenes. Dies rührt daher, daß die Minnesänger eine andere Liebeskonzeption und eine andere Auffassung von der Frau (sie ist nicht Verführung zur »fleischlichen« Sünde) besitzen. Somit lassen sich scheinbar konträre Äußerungen (B. von Vent




aus »Curialitas«
Rüdiger Schnell: »Die höfische Liebe als höfischer Diskurs über Liebe«, S. 231 - 301
zusammengefaßt von Edeltraud C. Beckers

Charch schrieb am 3.9. 2000 um 02:26:20 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 10 Punkt(e)

Hygiene im Mittelalter?

Na, das ist sehr differenziert zu betrachten, sowohl chronologisch als auch räumlich.
In den meisten Dörfern gab es öffentliche Bäder, gesiedelt wurde ohnehin weitgehend in der Nähe von Gewässern. In den Burgen sind in aller Regel Badeeinrichtungen verbürgt.
Gleiches gilt für die Klöster. Hier sind sogar Baderegeln überliefert (im Rahmen von Constitudines, die zum Teil noch aussagekräftiger und eingehender sind als die der benediktinischen Ordensregel).

In epidemischem Sinne verbreiteten sich die meisten der bekannten Krankheiten (es waren insgesamt nur fünf Seuchenzüge,) erst relativ spät.

Ab dem vierten Jahrhundert gab es allerdings Fälle von AUSSATZ (Lepra), in Nord-, Ost- und Mitteldeutschland aber erst seit dem 13. Jahrhundert!

Pesteinbrüche gab es im 6. Jahrhundert, die sogannte PEST DES JUSTINIAN,
die aber nur (von Süden) bis nach Trier vordrang und im

14. Jahrhundert den SCHWARZEN TOD, eine seiner möglichen Verlaufsformen war di Bubonenpest (Beulenpest).

Sehr spät im Mittelalter, nämlich 1485 trat, zunächst in England, der »Englische Schweiß« auf. Erst in der Frührenaissance (1529) erreichte diese Krankheit den deutschen Sprachraum.

Als kaum noch mittelalterlich, nämlich weil erst um 1493 nach Europa und 1495 nach Deutschland eingeschleppt, kann man die »«Mal Franzoso" - die französische Krankheit, auch auch oletum (Gestank) oder BLATTERN genannt, bezeichnen.



Das Mittelalter war keinesfalls »golden«, romantisch und schön, aber es gab nicht nur Seuchen, (das 20. Jahrhundert definieren wir ja auch nicht nur über AIDS, Polio und Krebs), sondern viele, viele, viele andere Aspekte des Lebens, wie zum Beispiel der soziale Aufstieg vorher rechtlich abhängiger Schichten (Ministeriale), die Entwicklung weiterer freier Stände, im Hochmittelalter, eine relative rechtliche und soziale Aufwertung der Frau (ebenfalls im Hochmittelalter), eine Verbesserung des Klimas, einhergehend mit agrarischen Revolutionen, wie der Einführung von Dreschflegel und Radpflug und der Dreifelder-Wirtschaft, im Hochmittelalter (12./13. Jahrhundert), etc.!













Charch schrieb am 4.1. 2001 um 19:05:00 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 7 Punkt(e)

HERALDIK

Wappenkunde

Das Wort Wappen leitet sich von Waffen ab, sein Ursprung ist der Kampf in Rüstungen, die Freund und Feind unkenntlich machten.
Seit dem Anfang des 12.Jhs. begannen die Ritter im Kampf und Turnier unterschiedliche Farben und Abzeichen zu führen, damit Freund und Feind sie weithin sichtbar, erkennen und unterscheiden konnten. Daraus entwickelte sich am Ende des 12. Jhs. die Wappen.

Bei einer Wappenbeschreibung (Blasonierung) wird ein Wappen immer aus der Sicht des Schildträgers beschrieben. (Rechts - lat. dexter - links - lat. senestre).

Die Heraldik kennt nur bestimmte Farben. Diese teilen sich in Metalle und Tinkturen auf.

Tinkturen: Metalle: In der Buchmalerei golden oder silbern dargestellt.
rot (frz. gules) gold (frz. or)
blau (frz. azure) gelb dargestellt.
grün vert) (silber (frz argent)
schwarz (sable) weiß dargestellt.

Andere Farbtöne durften nicht verwendet werden.

Die wichtigste Regel der Heraldik besagt, daß nie Tinktur auf Tinktur oder Metall auf Metall gesetzt werden durfte. Das Nebeneinander der Tinkturen und Metalle ist nicht zu vermeiden, wenn etwa drei Felder aneinanderstoßen wie z.B. beim Deichselschnitt oder bei halbgespalten und geteilt oder bei gespalten und halbgeteilt.

Da es sich für den Erben anbot, das Wappen des Vaters, daß durch lebenslangen Gebrauch schon mit dem Geschlecht in Verbindung gebracht wurde beizubehalten, entstanden erbliche Familienwappen.

Da immer nur das derzeitige Familienoberhaupt das Stammwappen führen durfte, änderten alle anderen männlichen Familienmitglieder das Wappen ab. Sie »brachen« es (frz. - briser). Eine der häufigsten Form der Brisüre war der Farbwechsel unter Beibehaltung des Wappenmotives. Sehr beliebt waren auch drei - oder fünflätzige Turnierkragen. Diese wurden im oberen Drittel über das Stammwappen gelegt. Jedes Familienmitglied brach das Stammwappen durch ein eigenes Beizeichen oder eigene Farbgebung, so das jeder sein eigenes nur ihm zuzuordnende Wappen führte. Nach dem Tod des Familienoberhauptes legte sein Nachfolger, meist der älteste Sohn, seine Brisüre ab und führte von diesem Zeitpunkt an das Stammwappen.

Auch Querstäbe oder Schrägfäden wurden als Brisierung über das Stammwappen gelegt. Fanden diese Wappenbeibeizeichen ab dem 15. Jh. eine häufige Verwendung für illegitim geborene Nachkommen, ist im 13. Jh. diese Bedeutung noch nicht üblich. Vielmehr trifft man diese Beigaben bei sich von der Hauptlinie abspaltende jüngere Familienzweigen an, die diese Beizeichen zum festen Bestandteil ihres neuen Stammwappens machten.

Auch Vasallen und Ministerialen, nahmen ähnliche Wappen an, wie sie ihre Herren führten.

Ein Beispiel, um dem Wappen seines Herrn, ein eigenes Wappen hinzufügen besteht in der Anwendung eines gevierten Wappens. In den Feldern 1 und 4 ist das Wappen des Herren angebracht, während in den Felder 2 und 3 das eigene Wappen dargestellt wird.









Heraldische Kreuzformen:


Weckenkreuz Antoniuskreuz Krückkreuz Kugelkreuz geschweiftes Prankenkreuz



Wiederkreuz Lilienkreuz Kalvarienkreuz Kleeblattkreuz



Fußspitzkreuz Andreaskreuz Balkenkreuz Ankerkreuz



Patriarchenkreuz oder Lothringer Kreuz



Pelzwerksymbole traten nie als Einzelzeichen in Wappen auf. Vielmehr waren Wappenflächen mit ihnen bestückt. (Heraldisch - besät)


Pelzwerksymbole:



Hermelin Eisenhutfeh Wolkenfeh

Auf Bannern, Waffenröcken und Kuvertüren zeigen unsymmetrische Wappenzeichen wie z.B. Löwen, Adler und Greifen immer nach vorne.

Die Trennung der Farben und Metalle geschieht durch Schnitte. Das Ergebnis sind Heroldsbilder oder Heroldsstücke. Die Verdoppelung einer Teilung oder Spaltung ergibt bei zwei Farben einen Balken bzw. einen Pfahl (Heroldsbild) Kommen aber drei Farben vor bleibt es eine einfache Teilung (Heroldsstück).
Beispiel: Ein Wappen mit zwei Pfählen = Heroldsbild
Ein Wappen drei, oder fünfmal gespalten = Heroldsstück.


Wappenbilder enthalten auf einer ungeteilten Grundfarbe eine oder mehrere Figuren.



Charch schrieb am 18.10. 2000 um 06:10:27 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 9 Punkt(e)

Es sollte noch etwas über die Sauberkeit der mittelalterlichen Menschen gesagt werden. Anders als zu Zeiten Ludwigs XIV., in denen man Dreck und Gerüche mit Parfümen und Pülverchen zu überdecken versuchte, legten die Menschen im Mittelalter großen Wert auf die Körperpflege. Nur die Ärmsten der Armen konnten sich kein tägliches Bad leisten. Für die Adligen dagegen war häufiges Baden eine Selbstverständlichkeit. Und nach dem Waschen schminkten die Herren und Damen ihre Wangen und Lippen z.B. mit dem roten Farbstoff der Schildlaus, gaben ihren Augenbrauen den gewünschten Schwung, kräuselten, bleichten oder färbten ihr Haar und parfümierten sich mit Rosen- und Lavendelöl. Besonders gepflegt wurden auch die Hände und die Fingernägel. Vornehme Spanierinnen trugen im 14. Jh. ungefähr 20 cm lange Fingernägel, die - um besonders zu beeindrucken - »extra poliert« wurden. Zudem galt blasser Teint als Zeichen höchster Eleganz. Um ihn zu bewahren, nahm man Gesichtsdampfbäder und trug anschließend in Rosenwasser gelöste weiße Schminke auf der Basis von Weizenschrot oder Bleiweiß auf.

Charch schrieb am 18.10. 2000 um 06:15:54 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 11 Punkt(e)

Tischsitten

Im 12. Jh. hat sich zuerst in Frankreich, an großen weltlichen Höfen, ein neuer Gesellschaftsstil herausgebildet, der durch eine bis dahin unbekannte materielle Aufwendung und durch eine Verfeinerung der Umgangsformen gekennzeichnet war. Als neue Sitte kam das paarweise Speisen und das Trinken aus einem Becher auf. Der Reichtum der Tafel zeichnete sich auch durch kostbares Tafelgeschirr aus.

Für die Organisation eines höfischen Festes waren die klassischen Hofämter, Truchseß, Kämmerer und Schenk zuständig.

Das festliche Mahl am Hof unterlag einem reich ausgestaltetem Zeremoniell, das eine große Dienerschaft erforderte.



Der Truchseß überwachte mit seinem Stab die Einhaltung des Hofprotokolls und war für die Sitzordnung zuständig. Bei vielen hochgestellten Gästen erforderte diese Aufgabe viel diplomatisches Geschick.



Vor dem Festmahl erfolgte eine Handwaschung, bei der Aquamanilen, Schalen und Handtücher benötigt wurden.



Schenken brachten die Weinkannen während die Truchsessen in langer Reihe das Essen heran trugen. Vorschneider und Speisemeister zerlegten das Essen in mundgerechte Stücke.



Zur höfischen Mahl gehörte Musik und getanzt wurde zu Harfenmusik.

Neue Gänge wurden mit Trompeten und Trommeln angekündigt.



Es wurde mit den Fingern gegessen. Die Gabel war zwar bekannt, wurde aber nur zum Vorlegen benutzt. Messer und Löffel dienten zum Tranchieren und zum Austeilen.



Als Teller diente eine Scheibe Brot. Oft wurde gemeinsam aus einer Schüssel gegessen und der Becher mit dem Nachbarn geteilt.



























Tischzuchten:







nicht das Brot bevor der erste Gang auf den Tisch kommt sonst wirst du für unbeherrscht gehalten. Breche das Brot!



Stecke nicht ein zu großes Stück in den Mund das die Krumen links und rechts aus dem Mund fallen.



Schlucke das was du im Mund hast nicht herunter bevor es gut gekaut ist damit du dich nicht verschluckst.



Trinke erst wenn dein Mund leer ist sonst hält man dich für einen Säufer.



Sprich nicht solange du etwas im Mund hast.



Ihr sollt nicht zu eng an die Dame heranrücken und sollt alles Derbe und Unziemliche in ihrer Gegenwart unterlassen.



Trinkt nicht zu viel und klagt nicht über das Essen.



Macht beim Speisen keinen Lärm.



Legt die abgegessenen Knochen nicht wieder in die Schale zurück.



Kratzt euch nicht mit der bloßen Hand an der Kehle und schneuzt nicht in die Hand.



Greift nicht mit den Fingern in Senf oder Saucen.



Schneuzt nicht in das Tischtuch.



Blast nicht in das heiße Getränk.



Legt euch beim Essen nicht über den Tisch.



Trinke nicht mit fettigem Mund.




Charch schrieb am 31.8. 2000 um 19:34:16 Uhr zu

Mittelalter

Bewertung: 9 Punkt(e)

Das Pferd im Mittelalter



Die Pferde im Hochmittelalter sind vergleichbar mit leichten oder mittelschweren Jagdpferden. Sie hatten ein Stockmaß bis ca. 1,50m, waren also verhältnismäßig klein. Man unterscheidet zwischen dem gewöhnlichen Reitpferd, dem Palafridus und dem Dexstrarius, das als Streitross bei Kampfhandlungen geritten wurde. Der Dexstrarius war so agressiv, daß er beißend und tretend in die Schlachtreihe einbrach, er hatte jedoch den Nachteil, daß er schnell ermüdete.
In der Schlacht wurden Hengste geritten. Diese wurden auf Menschenmassen, Fahnen, Lärm und Anrempelungen geschult.
Für Sendboten standen schnelle Pferde (curriles equi) zu Verfügung.
Der Zelter, der im Paß gehen konnte, wurde besonders von den adligen Frauen geschätzt.
Die Pferde des Ritters: l Palafridus als Reitpferd
l Dexstrarius als Streitross bei Kampfhandlungen
l Ein Packpferd (roncinus) oder Maultier und
l ein bis zwei berittene Knappen.



Die Pferdeausrüstung
Das Zaumzeug wurde aus Leder hergestellt. Hebelstangentrensen (Kandaren) waren gebräuchlich.
Der Krippensattel ist aus Holz mit Leder überzogen. Der hintere Sattelbogen ist nach vorne gebogen und umschließt die Hüfte des Reiters um den Ritter einen festen Sitz zu geben. Der vordere Sattelbogen ist kleiner als der Hintere. Er kann gerade oder nach hinten gebogen sein.
Besonders wichtig war der Brustriemen, der verhinderte, das der Sattel beim Aufprall nach hinten rutschte.
Steigbügel hatten einen geraden oder halbrunden Steg. Der Bügel ist rund oder leicht geschweift.
Die Pferdedecke (Kuvertüre) ist zweiteilig und wird am dazwischen liegenden Sattel befestigt. Sie reicht bis zu den Fesselgelenken und ist heraldisch geschmückt.
Die Pferdepanzerung (isine kovertiure) ist seit 1187 bezeugt.







Die Geschichte der Reitkunst - (Mittelalter).
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Höfische Kultur - Joachim Bumke
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